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In späteren Jahren zeigte Zeßner-Spitzenberg hinsichtlich der Verwirk-
lichung der legitimistischen Ziele immer weniger Geduld. 1937 forderte er,
der (soziale) Monarch solle die berufsständische Ordnung aktiv vollenden;
diese solle nicht, wie die jetzige Führung der VF meine, „passiv ins fertige
Haus eingeführt“ werden. Der Konflikt zwischen Legitimität und Legalität,
um den es hier gehe, lasse sich durch „vornehme gegenseitige Achtung der
Verantwortungsbewusstheit“ lösen, auch durch „das Suchen eines vorneh-
men Ausgleiches von persönlichem Gewissen zu politischem Gewissen“.838
Bereits 1921 hatte er seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass „gerade
die Kaiseridee, mehr noch als die Königsidee, mit wahrer edler Demokratie
bestens vereinbar ist“.839
Mehrere Bundeskanzler der Ersten Republik standen dem Legitimismus
nahe, allen voran Ignaz Seipel und Johann Schober.840 Engelbert Dollfuß
entwickelte eine ähnliche Haltung gegen Ende seiner Kanzlerschaft.841 Otto
von Habsburg bescheinigte ihm erkannt zu haben, dass die Monarchisten
am entschlossensten gegen den Nationalsozialismus vorgingen.842 Ungleich
markanter war Kurt Schuschniggs Profil als Legitimist: Als Mitglied des
Reichsbundes der Österreicher betrachtete er die Wiedererrichtung der Mo-
narchie als das Ziel seiner Politik, zum Tagesthema machte er sie jedoch
nicht, weil er erst nach der Sicherung der Unabhängigkeit Österreichs eine
realistische Chance sah.843 Vorderhand ging es ihm um die Stärkung der
Gegner des Nationalsozialismus.844 Nach 1936 glaubte er immer weniger an
Restaurationsmöglichkeiten und distanzierte sich daher von der legitimisti-
schen Bewegung.845 Gleichwohl äußerte Hans Karl Zeßner-Spitzenberg 1937
den Eindruck, das legitimistische Gedankengut und die vaterländisch-auto-
ritative Idee stünden einander mittlerweile sehr nahe.846
Als Zeßner-Spitzenberg seine Gedanken zur Legitimität aussprach, hatte
er Kaiser Karl vor Augen, der für ihn das Ideal des katholisch-österreichi-
838 CS 21. 2. 1937 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
839 NR 11. 9. 1921 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
840 mosser, Legitimismus, 56.
841 mosser, Legitimismus, 258.
842 waltersKirchen, Dollfuß, 42 f.
843 carsten, Faschismus, 259; GoldinGer, Schuschnigg, 227; hoPfGartner, Schuschnigg, 34
und 71; JaGschitZ, Ständestaat, 509; mosser, Legitimismus, 262 und 344; wohnout, Tradi-
tionsreferat, 67.
844 JaGschitZ, Ständestaat, 509; JedlicKa, Vom alten, 219; PelinKa, Stand, 194; staudinGer,
Österreich-Ideologie, 36 und 41; suPPanZ, Geschichtsbilder, 63.
845 GoldinGer/binder, Geschichte, 266; K. schuschniGG, Dreimal, 282; K. schuschniGG, Öster-
reich, 24; tálos, Herrschaftssystem (2013), 267.
846 CS 21. 2. 1937 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
5.7 LEGITIMITÄT VERSUS LEGALITÄT 295
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580