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schen Menschen schlechthin war847, bis zu seinem Ende in tiefem Glauben
verharrend und diesen auch öffentlich bekundend:848 „Die persönliche Liebe
zu Kaiser Karl und dessen Familie und die Erinnerung an die große öster-
reichische Idee konnte mir auf rein menschlichem Gebiet niemand verweh-
ren.“849 Die Art, wie dieser auf die Aufforderung zur Abdankung850 reagierte,
brachte ihm Zeßner-Spitzenbergs vorbehaltlosen Respekt.851 Er nannte ihn
den „Träger alter Rechte und Traditionen“, den man gedrängt habe, auf die
Regierungsgeschäfte zu verzichten; die Verbannung aus Österreich habe er
ebenso wenig verdient wie die Verleumdungen, denen er und seine Gemah-
lin ausgesetzt gewesen seien.852 An Kaiserin Zita bewunderte der Freiherr
die Weigerung, „von ihrem Rechtsstandpunkte und den Traditionen abzuge-
hen, die auf ihrem Haus vor Gott und der Geschichte als schwere und erha-
bene Pflichtenlast ruhen“. 853 Auch den 1912 geborenen ältesten Sohn dieses
Paares, Otto, lobte er in höchsten Tönen.854 Was Zeßner-Spitzenberg an der
kaiserlichen Familie faszinierte, war die „Standesgnade“855, das, was jeden
Beruf zu einem „von Gottes Gnaden“ mache.856 Diesen im tiefsten Grunde
theologisch verankerten Gedanken857 vermittelte auch der CS, dessen Lei-
tung seit Anfang 1938 in Zeßner-Spitzenbergs Händen lag:858 Das Kaiser-
paar übe die Autorität nicht aus, sondern repräsentiere sie.859
Ähnliche Denkmuster prägten Alois Schönburg-Hartenstein860, der im
Frühjahr 1928 Kaiserin Zita in Lequeito (Baskenland) die Loyalität des
österreichischen Adels bekundete. Mit dem Ausdruck des Bedauerns be-
richtete er in diesem Zusammenhang von einem Empfang beim spanischen
847 Kritisch dagegen novotny, Der Monarch, 96–99.
848 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Die kaiserliche Familie, 7; vgl. auch O. weiss, Rechtskatholizis-
mus, 26 f.; wohnout, Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, 7; zur insgesamt positiven Beurtei-
lung des Herrschers vgl. suPPanZ, Österreichische Geschichtsbilder, 233 f.
849 K. P. Zeßner-sPitZenberG, Hans Karl, 41.
850 Die schillernden Formulierungen, mit denen er am 11. November 1918 auf seinen Anteil an
den Regierungsgeschäften verzichtete, stammten teilweise von Ignaz Seipel; boyer, Wiener
Konservativismus, 345; Seipel „war […] schwarzgelb bis in die Knochen“; K. v. KlemPerer,
Ignaz Seipel, 93; vgl. auch ebd. 99.
851 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Kaiser Karl (1953), 208.
852 CS 4. 4. 1937 (H. K. Zessner-sPitZenberG).
853 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Die kaiserliche Familie, 17.
854 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Die kaiserliche Familie, 12.
855 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Kaiser Karl (1927), 136; H. K. Zeßner-sPitZenberG, Kaiser Karl
(1953), 122.
856 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Kaiser Karl (1953), 115.
857 LThK/III 9 (2000), 927 f. (J. weismayer).
858 waltersKirchen, Blaues Blut, 68–87; K. P. Zeßner-sPitZenberG, Hans Karl, 59.
859 ebneth, Wochenschrift, 170–172.
860 mosser, Legitimismus, 31; neuhäuser, Legitimismus, 146; waltersKirchen, Blaues Blut, 91 f.
5. DER MENSCH IST
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580