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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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dass der Adel zwischen Landesfürst und Volk trete. Weit entfernt vom heute erreichten Problembewusstsein58, betonte er die Landstandschaft der Bau- ern in Tirol und ihre wichtige Rolle in der Rechtsprechung. Die Eigenschaf- ten, die er – in Kenntnis archivalischer Quellen und der einschlägigen lan- deskundlichen Literatur, allen voran der Arbeiten von Hermann Wopfner und Otto Stolz – den Tiroler Bauern bescheinigte, sind jene, die im Rahmen der Erörterung des Personbegriffs bereits angesprochen wurden; auch habe der Tiroler Bauer nicht das „knechtische Wesen“ anderer Bauern, sondern zeige Selbstbewusstsein gegenüber anderen Ständen. Zur Zeit des Absolu- tismus seien die Bauern dieses Landes nicht „zur willens- und teilnahms- losen Masse“ herabgesunken.59 Georg Moth brachte die Landstandschaft der Bauern in Tirol mit dem seit dem 14. Jahrhundert feststellbaren, in ei- ner hoch entwickelten Gerichtsbarkeit sich äußernden Kommunalismus am Land in Zusammenhang und ortete Ansätze eines Berufsstands.60 August M. Knoll nannte „die landständische Gliederung der Alpen-, Sudeten- und Karpatenländer“ die Basis der „österreichischen Reichsidee“.61 In Leopold Engelharts Diktion entsprach der „Wehrstand“ dem „Ge- schlechtsadel“ – doch nur dem Wort nach. Der Wiener Domprediger fand die Kriterien echten Führertums nicht in der Geburt, sondern in persönlichen Eigenschaften und deren bewusster Kultivierung.62 Vom „Wehrstand“ war auch in einem 1934 im Ministerrat gestellten Antrag die Rede, die im Vertei- digungswesen Tätigen aus dem Berufsstand Öffentlicher Dienst herauszu- nehmen und einen eigenen zu bilden: Bundeskanzler Schuschnigg erklärte dies für verfassungswidrig.63 Richard Schmitz erklärte, die Begriffe „Wehr- stand“, „Nährstand“, „Lehrstand“ seien als Anachronismen in der Verfas- sung mit Bedacht vermieden worden.64 Das für das Alte Reich charakteristische System der Reichs- und Land- stände war für die Träger des österreichischen Ständestaates deshalb so faszinierend, weil sie darin ein Abbild der ewigen Ordnung sahen, eine Ord- nung, die eine direkte Beziehung der Masse zum „Staat“ und institutionelle Regelungen nicht kannte und das Rechtsprinzip suum cuique hochhielt.65 Karl Planck-Planckburg legte 1929 eine 46 Seiten starke Abhandlung (Die Landeserbämter) vor, in der er auf der Grundlage archivalischer Quellen 58 schennach, Cum consilio, 43–49. 59 Kolb, Das Tiroler Volk, 25; Kolb, Die geistigen Grundlagen, 12 f. 60 moth, Neu-Österreich, 83 f. 61 Knoll, Das Ringen, 4. 62 enGelhart, Führertum, 55. 63 PMR IX/2, Prot. 977/30 (20.–21. 12. 1934), 160. 64 PMR VIII/6, Prot. 938 (14. 4. 1934), 422. 65 Kondylis, Konservativismus, 80 und 110– 116. 6. STANDESBEWUSSTSEIN308
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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