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nur eine irreführende Namensgleichheit“.85 1934 erläuterte Konrad Josef
Heilig im CS, der mittelalterliche und der nunmehr zu schaffende Stän-
destaat deckten sich nur in einigen Grundgedanken.86 Anton Klotz benannte
den Unterschied so: Die mittelalterlichen „Reichsstände“ hätten den Staat
regiert, die Berufsstände gliederten die Gesellschaft.87
Hans Schmitz distanzierte sich von der älteren herrschaftsständischen
Ordnung, weil in dieser häufig Besitz, Macht und soziale Geltung die ent-
scheidenden Kriterien gewesen seien88, desgleichen Josef Dobretsberger.89
Viktor Frankl beschrieb das altständische Modell als „ein Übereinander
von Herrschaftsständen und dienenden Ständen“, weswegen „Ständestaat“
gleichbedeutend mit „Privilegienstaat“ sei. Zum Wesen des gegenwärtigen
Ständestaates gehörten hingegen „die Selbstbegrenzung der staatlichen
Macht im Namen des sozialen ordo“ sowie die „Achtung vor dem natürlichen
Funktionsbereich der Einzelpersönlichkeit und der kleineren innerstaatli-
chen Gemeinschaften“.90 Die Zeitschrift StL warnte vor der Annahme der
Möglichkeit eines unmittelbaren Übergangs von der herrschafts- zur berufs-
ständischen Idee91, und Oskar von Hohenbruck stellte klar, dass eine Neuer-
richtung der alten Erbstände nicht geplant sei.92 Georg Moth forderte dazu
auf, alte Formen mit neuem, zeitgemäßem Inhalt zu füllen.93
Formen des Neuständischen
Trotz der unterschwellig transportierten altständischen Vorstellungen
fehlte keineswegs der Sinn für das Anachronistische, das ihnen anhaftete.
Richard Schmitz kommentierte die Terminologie der Französischen Revolu-
tion: Das Bürgertum habe den dritten Stand gebildet, und aus den Massen
85 seiPel, Der Kampf, 183; vgl. schwarZenberG, Erinnerungen 85 f.; rathKolb, Johannes
Schwarzenberg, 253; senft, Im Vorfeld, 88; 1930 wiederholte Seipel diese Gedanken in
mehreren Reden: Vor dem Verein katholischer Edelleute sprach er zum Thema Die Neube-
lebung des Ständegedankens, wenige Tage später im Verein Altösterreich über Österreichs
geistige Konsolidierung als Bedingung für seine Geltung in der Welt und vor dem Land-
straßer CV über Die Ständeverfassung; rennhofer, Ignaz Seipel, 664; vgl. CS 14. 1. 1934
(E. Prettenhofer).
86 CS 23. 12. 1934 (K. J. heiliG); vgl. GG 6 (1990), 196 (Stand/Klasse, O. G. oexle).
87 KlotZ, Probleme 2, 159.
88 H. schmitZ, Die berufsständische Ordnung, 12 f.
89 SZ 16. 12. 1934 (J. dobretsberGer).
90 CS 1. 3. 1936 (V. franKl).
91 StL 1935, 106 f.
92 v. hohenbrucK, Zur Frage, 8.
93 moth, Neu-Österreich, 62.
6.3 DER STAND UND DAS STANDESGEMÄSSE 311
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580