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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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eine ständische Gruppe zu bilden. Die Arbeiter könnten kein echter Stand sein, weil das gemeinsame Berufsinteresse fehle.103 Am 19. Oktober 1929 erschien in der Reichspost ein Artikel von Ignaz Seipel zur Frage Was sind Stände?104 Obwohl auch hier keine klare Defi- nition geboten wurde, ist er aus zwei Gründen von Interesse: Der Begriff „Bauernstand“ wurde mit dem Hinweis problematisiert, es gelte in der Ge- sellschaft als „Missheirat“, wenn eine Bauerntochter einen Knecht heirate; daher sei „Bauernschaft“ vorzuziehen. Dieser Vorschlag, der angesichts der bereits vor 1918 bestehenden Probleme des Interessenausgleichs zwischen Klein- und Mittelbauern einerseits und Großagrariern andererseits105 leicht nachvollziehbar ist, hatte in der Praxis freilich keine Chance auf Durchset- zung, zu geläufig war „Stand“ für das Bauerntum106 und zu tief waren die traditionalen Strukturen und Mentalitäten in der Landwirtschaft veran- kert.107 Geistliche, Soldaten und Gelehrte führte Seipel als Beispiele für einen „lebendigen“ Ständebegriff an: Sie seien durch ein Gefühl der Zusammen- gehörigkeit definiert, ohne Rücksicht auf den Rang oder sonstige Äußerlich- keiten. Bei den Geistlichen war der Begriff „Stand“ auch für Othmar Spann unproblematisch: Die gerade in der katholischen Kirche betonte metaphysi- sche Verwurzelung bezeichnete er als Garanten einer geistigen Einheit, die auch Spannungen aushalte.108 In Oswald Spenglers Hierarchie waren die „Priester“ einer der beiden „Urstände“ neben dem „Adel“.109 Benno Karpe- les betrachtete die Geistlichkeit als Berufsstand.110 Für Anton Orel hatten von den älteren Ständen Bauerntum und Geistlichkeit die Zeiten am besten überdauert; einen „Arbeiterstand“ könne es hingegen nicht geben.111 Einen Grenzfall stelle der ins Kleinbürgertum aufgestiegene, selbständig tätige Ar- beiter dar.112 103 v. hohenbrucK, Zur Frage, 7–11; ähnlich Spann, für den die Arbeiter keinen Stand bilde- ten, weil sie in vielen Bereichen vertreten seien; sie stellten eine Querverbindung zwischen den Ständen dar und seien daher als Schicht zu bezeichnen; H. walter, Ständewesen, 115. 104 seiPel, Der Kampf, 199–203; vgl. diamant, Katholiken, 171; hasiba, Der berufsständische Gedanke, 115 f.; novotny, Der berufsständische Gedanke, 212; rennhofer, Ignaz Seipel, 642. 105 brucKmüller, Der Bauernstand, 811; drobesch, Vereine, 1063 f. 106 hanisch, Die Politik, 21–26. 107 auGustin, Bauernbünde, 24; drobesch, Vereine, 1042; hanisch, Der lange Schatten, 95 f.; sandGruber, Ökonomie, 302. 108 H. walter, Ständewesen, 59 f. 109 sPenGler, Untergang, 969–971 und 989. 110 KarPeles, Klassenkampf, 21. 111 orel, Ständeordnung, 42; vgl. neGer, Verfassung, 30 f. 112 orel, Ständeordnung, 62–68. 6.3 DER STAND UND DAS STANDESGEMÄSSE 313
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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