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nicht so scharfen Ausdruck wie Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi, der
von einem Verfall der „Feudalaristokratie“ zugunsten der „Pseudo-Aristo-
kratie des Geldes“ – eine langfristige Folge der Französischen Revolution
– sprach.191
Jeglichem Standesdünkel abhold192 war der in feudaler Umgebung aufge-
wachsene Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, der sein feines Organ für soziale
Not nie verlor.193 Er darf geradezu als die Verkörperung desjenigen gelten,
der den von Coudenhove-Kalergi eingeforderten Wahlspruch wahren Adels,
noblesse oblige194, im echtesten Sinn des Wortes lebte. Schon 1905, als Stu-
dent in Prag, hatte er sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegge-
setzt, indem er der CV-Verbindung Ferdinandea beitrat, obwohl dies für
einen Adligen als nicht standesgemäß galt.195 Später, als Universitätsprofes-
sor, forderte er eine hohe Wertschätzung für die „gesellschaftlich minder be-
werteten Berufsleistungen“:196 Diese solle gerade „uns als Träger ‚höher’ ge-
werteter akademischer Berufsarbeit vor Überheblichkeit schützen“.197 Damit
formulierte er einen im CV leitenden Grundsatz: Zum akademischen Stan-
desbewusstsein gehöre nicht in erster Linie das Bewusstsein der Rechte,
sondern vielmehr der Pflichten; das einfache Volk dürfe auf Seiten der Aka-
demiker „keine Überheblichkeit“ wahrnehmen.198 Der Sinn für akademische
Standesehre199 versperrte also nicht den Blick aufs Ganze. Hans Pernter ver-
glich den CV mit einem Ritterorden; er forderte ein Gemeinschaftsgefühl der
civitas academica, der universitas magistrorum et scholarium.200
Franz Karl Ginzkey thematisierte den Nexus zwischen der materiellen und
der ideellen Komponente des Standesbegriffs, indem er sich über den Staat
beklagte, der von seinen Offizieren ein „standesgemäßes Auftreten“ verlange,
ihnen aber kein Einkommen biete, das eine Familiengründung ermögliche.201
Er hatte sich selbst lange in dieser Lage befunden. 1899 hatte er dann aber
einen Status erreicht, der ihm eine Eheschließung erlaubte. Als Militärbeam-
ter hatte er geringeren Ansprüchen an die Standesgemäßheit zu genügen als
191 coudenhove-KalerGi, Adel, 31 f.
192 fux, Für Christus, 22.
193 K. P. Zeßner-sPitZenberG, Hans Karl, 10.
194 coudenhove-KalerGi, Adel, 37 f.; vgl. steKl, Österreichs Adel, 109.
195 fritZ, Farben tragen, 378 f.; waltersKirchen, Blaues Blut, 70; K. P. Zeßner-sPitZenberG,
Hans Karl, 18.
196 K. P. Zeßner-sPitZenberG, Hans Karl, 21; fux, Für Christus, 23.
197 K. P. Zeßner-sPitZenberG, Hans Karl, 52 f.
198 Krasser, Sinn und Zweck, 111.
199 hoPfGartner, Schuschnigg, 42.
200 Pernter, Gedanken, 91 f.
201 GinZKey, Heimatsucher, 115.
6.3 DER STAND UND DAS STANDESGEMÄSSE 321
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580