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Überzeugung: „Das Ziel allen Wirtschaftens ist der Mensch.“432 Hier leben
barocke Vorstellungen von Lebensqualität weiter.433
Bauerntum in Krise
Johann Blöchl zitierte in seinen Lebenserinnerungen voll Wohlwollen einen
seiner einstigen Lehrer, der erklärt hatte, es sei ein Irrtum zu glauben, wer
leicht lerne, solle nicht Bauer werden.434 Was er ansprach, war der zeittypi-
sche Trend zur Abwanderung vom Land, den Gertrud Spinnhirn mit Sorge
verfolgte; dieses Problem sei nicht anders lösbar als durch „die grundsätzli-
che Abkehr von jenem Geist des Individualismus und Rationalismus“, die die
ständische Ordnung bringen würde.435 Aber auch später von liberaler Seite
vorgebrachte Einwände gegen die Landflucht waren im Grunde konservativ:
Wilhelm Röpke nannte die Landwirtschaft das „Erdgeschoss“ der Wirtschaft
und gab zu bedenken, es dürfe nicht mehr Städter geben als ihre Überschüsse
hervorbringen.436
Rudolf Henz setzte sich mit derlei Gedanken literarisch auseinander.
Thema seines Dramas Die Heimkehr des Erstgeborenen (1933) ist eine tiefe
Krise des Bauerntums. Der in die Stadt gezogene Karl kehrt eines Tages
überraschend auf den elterlichen Weinhof zurück und tötet im Streit seinen
jüngeren Bruder, der sich selbst als den künftigen Bauern sieht. Tatmotiv ist
die Kritik an einem Bauerntum, das sich von seinen Ursprüngen und seinem
Wesen entfernt habe. Karl: „Ich hab mir halt nur das Haus vorgestellt, aber
nicht die Leut darin.“437 Die ausführlichen Regieanweisungen beginnen so: „In
der geräumigen Bauernstube wohnen alte und neue Zeit unangenehm neben-
einander. […] Vor dem Hause stehen schön der Reihe nach die Familienmit-
glieder und Dienstboten. In der Mitte der Stube hängt sinnlos eine elektrische
Glasperlenlampe.“438 Karl erläutert, er habe ursprünglich nicht Bauer werden
wollen, um nicht in den Kreislauf der Natur eingebunden zu sein, den er als
Freiheitsberaubung empfunden habe; heute wisse er: „Es gibt kein Aufbegeh-
ren mehr und wenn es noch so lockt, es gibt kein Herrschen mehr und wenn
wir noch so groß tun, es gibt nur Dienen, Dienen, Dienen, dem Boden und
dem Wind und dem Hagel, dem Blühen und dem Unkraut, dem Wachsen und
432 dollfuss an österreich, 142.
433 hersche, Gelassenheit, passim.
434 blöchl, Lebenserinnerungen, 16 f.
435 sPinnhirn, Agrarpolitik, 43 f. und 61.
436 habermann, Das Maß, 41 f.
437 henZ, Die Heimkehr, 42.
438 henZ, Die Heimkehr, 6. 6.
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580