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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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dem Tod.“439 In ähnlicher Weise unternahm Henz 1947 in seinem Anich-Ro- man eine Deutung der eigenen Zeit.440 Hier stehen auf gesellschaftliche Sta- bilität bedachte Sichtweisen neben solchen, die auch dem sozialen Aufstieg eines Menschen bäuerlicher Herkunft positive Aspekte abgewinnen können. Die für die Beibehaltung der angestammten Lebensform sprechenden Stim- men repräsentiert ein dem Vater Anich sehr verbundener Stamser Mönch: So wichtig der Beruf des Feldmessers für den Bauernstand sei, so wenig sei ein Bauer dazu geeignet, ihn zu ergreifen; Peter möge daher „wie bisher auf seinem wohlbestellten Hofe“ arbeiten, „zum Nutzen des Anichhauses und zur Zierde seines Standes“; es sei die „Weltordnung und immer wieder den Men- schen auch als Prüfung auferlegt“, dass ein jeder „den einmal erwählten, von Gott zugewiesenen und auch erlernten Beruf tapfer“ ausübe.441 Peters Mutter fasst eine mittlere Lösung ins Auge: Sie glaubt, wer aus dem Bauernstand komme, dem falle die Kommunikation mit den Bauern leichter; der Sohn könne den Hof auch als Feldmesser behalten und müsse nicht in die Stadt wie in einem anderen Beruf.442 Andere Verwandte beto- nen, dass Peters Vater aus der Unterschicht aufgestiegen sei, weswegen eine in der Familie ohnehin schon gegebene Dynamik fortgesetzt werde, „wenn seine Nachfahren […] sich mit den Jahren ein leichteres Leben schafften“.443 Die am Ende des Romans abgebildete Wirklichkeit beruhte indes nicht auf Überlegungen zum Anspruch auf persönliches Glück, sondern war dem aufklärerischen Prinzip der Glückseligkeit für alle geschuldet. Als man in Wien nach einer geeigneten Person für die kartographische Aufnahme Tirols sucht, erhebt sich Peter Anichs langjähriger Mentor Ignaz Weinhart SJ, an- fänglich Verfechter einer klaren Einteilung der Stände444, zu seinem enga- gierten Anwalt.445 Für den aufgeklärten Jesuiten war es selbstverständlich, das neue Wissen zum Nutzen aller Menschen anzuwenden, ungeachtet der damit verbundenen sozialen Problematik.446 Eine Schwester Peter Anichs ließ Henz im Roman aus dem heimatlichen Oberperfuß nach Innsbruck ziehen – und in tiefes soziales Elend versinken, das mit emotionaler Verhärtung einhergehe.447 Mit diesem – freilich wenig ausgearbeiteten – Motiv berührte er ein Thema, das bei Guido Zernatto 439 henZ, Die Heimkehr, 76 f. 440 wöGerer, Innere Emigration, 82. 441 henZ, Peter Anich, 67–69; vgl. auch ebd. 78 und 188. 442 henZ, Peter Anich, 34. 443 henZ, Peter Anich, 90. 444 henZ, Peter Anich, 144. 445 henZ, Peter Anich, 328. 446 henZ, Peter Anich, 184. 447 henZ, Peter Anich, 125. 6.5 BAUERNTUM ALS IDEAL 343
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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