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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Am prägnantesten drückte sich Karl Lugmayer aus:600 „Ist die Familie krank, so kann der Staat nicht gesund sein.“601 Für den personalistischen Philosophen war sie ein Teil jener Weltordnung, die er auch bei Konfuzius beschrieben fand: „Vom Herrn der Welt bis herunter auf den Mann aus dem Volk gilt das gleiche: Für alle ist die Veredelung des eigenen Lebens der Stamm. Dass einer, trotzdem der Stamm bei ihm in Unordnung ist, die Ver- zweigungen in Ordnung bringen könnte: das gibt es nicht. Wenn einer das, was ihm das Nächste ist, gleichgültig nimmt, so ist es ausgeschlossen, dass er das, was ihm ferner steht, wichtig nehme.“602 Aus der deutschen Literatur zitierte er Schillers Lied von der Glocke603, jene Ballade, die auch der keines- wegs kulturbeflissene Johann Blöchl zeit seines Lebens im Gedächtnis be- hielt, weil das darin beschriebene gesellschaftliche Muster für ihn Aktualität gewonnen habe.604 Als früher Vorläufer der hier referierten Gedanken ist der calvinisti- sche Staatstheoretiker Johannes Althusius anzuführen, der die Familie als Grundeinheit des Soziallebens erachtete, als Erscheinungsform jenes Ein- fachen und Primären, dem Vorrang vor dem Zusammengesetzten gebühre und das daher spezifische Ordnungsgesetze fordern könne, die eine Heraus- nahme vom allgemeinen Souveränitätsgebot rechtfertigten, wie etwa das Subsidiaritätsprinzip. Ja noch mehr: Der Definition von Souveränität müsse die Untersuchung der Natur des Soziallebens vorausgehen.605 Diese Terminologie kehrt bei Hans Karl Zeßner-Spitzenberg wieder: Wo „die Familie dem Staat Pate steht“, trete auch das Wesen von dessen Souve- ränität am reinsten zutage. Als Beispiel für die hausrechtliche Struktur des Staates nannte er die Pragmatische Sanktion, die für ihn auch ein Aspekt von Legitimität war.606 Viel Raum verwendete er dafür, das „musterhafte Familienleben“ und das „ungetrübte Eheglück“607 des letzten Kaiserpaars als Beispiel gebend zu erklären.608 Leopold Engelhart akzentuierte die Affinitäten zwischen Familie und Ge- meinwesen am Beispiel der jeweiligen Leitung: „Wo keine gegenseitige Be- 600 K. luGmayer, Linzer Programm, 49. 601 K. luGmayer, Grundrisse, 108. 602 K. luGmayer, Sein 2, 74 f. 603 K. luGmayer, Leos Lösung, 67. 604 blöchl, Lebenserinnerungen, 15. 605 hüGlin, Föderalismus, 329 f. 606 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Legitimität, 163; Die Zukunft, 287 und 300. 607 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Kaiser Karl 1953, 84. 608 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Kaiser Karl 1953, 47; H. K. Zeßner-sPitZenberG, Kaiser Karl 1927, 141; H. K. Zeßner-sPitZenberG, Die kaiserliche Familie, 17; vgl. auch heinZ, E. K. Winter, 325. 6. STANDESBEWUSSTSEIN358
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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