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altersbedingt noch nicht wahlberechtigten Kinder die Stimme abgäben; auf
diese Weise würden sich die Stimmverhältnisse zugunsten jener verlagern,
die mehr Verantwortung für die Zukunft empfinden als der Durchschnitt der
Kinderlosen.621 Julius Raab, geprägt von seinem katholisch-konservativen
Elternhaus622, sah in kinderreichen Familien das „Fundament eines gesun-
den Volks“.623 Leopold Kunschak sprach sich für eine Bevorzugung kinder-
reicher Familien in der Wohnbaupolitik aus.624
Bundeskanzler Dollfuß hatte aufgrund seiner Herkunft (uneheliche Ge-
burt) selbst zwar nie ein klassisches Familienleben kennen gelernt625, aber
auch für ihn war die Familie die „Grundlage jeder Gesellschaft“.626 Sein
Nachfolger Kurt Schuschnigg dankte seinen Eltern dafür, dass sie ihm „das
Paradies echten, glücklichen Familienlebens“ gewährt hätten.627 Eine seiner
politischen Maximen lautete: „Was für den Einzelnen Elternhaus und en-
gere Heimat ist, das bedeutet für die Gesamtheit das Vaterland.“628
Einzig Dietrich von Hildebrand stimmte in diesen Chor nur teilweise ein
und rief zu einer differenzierten Beurteilung des Verhältnisses zwischen Fa-
milie und Gemeinwesen auf, weil jeweils andere Seiten des Menschen ange-
sprochen seien.629 Das „Gemeinwohl“ könne sich nur auf den Staatsbürger,
nicht auf die geistige Person beziehen.630
Das Erziehungsmonopol der Eltern
Aus dem bürgerlichen Verständnis der Familie wurde ein weit reichender
Exklusivitätsanspruch abgeleitet. Anton Thir erläuterte, ausgehend vom
Bericht über die Heilung der Tochter des Jaïrus, Familienglück beruhe auf
Liebe und Verschwiegenheit nach außen.631 Als Jesus ins Haus der Kranken
gekommen sei, habe er das lärmende Volk abgewiesen, denn in gesunden
621 coudenhove-KalerGi, Held, 228; so auch Otto von Habsburg; baier/demmerle, Otto von
Habsburg, 397.
622 schönner, Julius Raab, 380.
623 raab, Ansichten, 21.
624 Kriechbaumer, Dieses Österreich, 328.
625 waltersKirchen, Dollfuß, 66 f.; kritisch zur Idealisierung des Familienlebens dreidemy, Der
Dollfuß-Mythos, 98–100.
626 dollfuss an österreich, 193.
627 K. schuschniGG, Dreimal, 33.
628 adam, Staatsprogramm, 104; hanisch, Konservatives und revolutionäres Denken, 163; ha-
nisch, Die Politik, 23.
629 v. hildebrand, Memoiren, 315.
630 v. hildebrand, Memoiren, 259.
631 Mk 5,35–53; Lk 8,49–56; thir, Frauengestalten 2, 75. 6.
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580