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Tagen sei dieser kleine Kreis ohne andere Menschen zusammengehalten
worden; die Familie solle daher auch in dem für sie besonders wichtigen Au-
genblick allein sein. Man müsse sein Herz nicht jedermann öffnen; schon das
Kind solle lernen, dass das Elternhaus ein „Heiligtum für sich“ ist.632
Im Adel bezog sich dieser Gedanke auf die Großfamilie, eine klar defi-
nierte Gruppe, die dem Einzelnen solidarisch zur Seite steht.633 Guido Zer-
natto äußerte in einem Kommentar der Maiverfassung einen ähnlichen Ge-
danken mit Blick auf die Freiheit der Person, wobei er die Formulierung
von der Wohnung des Bundesbürgers als dessen „Freistatt“ lobte.634 In der
Wohnbaupolitik der dreißiger Jahre galten Einfamilienhäuser, die der Fami-
lie Zurückgezogenheit ermöglichten und sie vor fremden Einflüssen schütz-
ten, als Ideal.635
Auch die katholische Soziallehre veranschlagte den von den Eltern auf
die Kinder ausgeübten Einfluss hoch.636 Anton Thir berief sich auf das Bi-
belwort „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“; es könne aber Aus-
nahmen geben.637 Pius Fink ließ eine Romanfigur erklären: „Die beste Ver-
brechensbekämpfung durch die Öffentlichkeit ist die geistige Sorge für die
Familie.“638 Leopold Kunschak führte den Verlust von „Heim und Familie“
als Ursache für die Entwurzelung der Arbeiter an.639 Wolfgang Höfler be-
schrieb die Familie als eine von wenigen personalen Institutionen, in denen
sich noch ethische Werte vermitteln ließen.640
Otto Ender sprach im Dezember 1933 in seiner Weihnachtsbotschaft
an die Vorarlberger vom „Lehr- und Erziehungsstand“: Zu diesem zählte
er nicht nur professionelle Pädagogen, sondern auch die Eltern.641 Franz
Rehrl642 und Hermann Peichl643 legten auf ausdrückliche Abgrenzung der
Kompetenzen Wert: Die Familie, hoben sie in Anlehnung an QA644 und im
Gleichklang mit dem LThK/I645 hervor, habe vor dem Staat bestanden; die-
632 thir, Frauengestalten 2, 79–83.
633 waltersKirchen, Adel, 47 f.
634 Zernatto, Die Wahrheit, 119; zu den einschränkenden Klauseln dieses Artikels vgl. Put-
scheK, Ständische Verfassung, 22.
635 vallaZZa, ,,Wir bauen auf“, 289.
636 A. rauscher, Die soziale Natur, 26.
637 thir, Frauengestalten 1, 122.
638 finK, Berge, 37.
639 reichhold, Opposition, 64; vgl. diamant, Katholiken, 184.
640 höfler, Bleibende Stände, 35.
641 wohnout, Verfassungstheorie, 175.
642 CS 4. 2. 1934 (F. rehrl).
643 Peichl, Der Altar, 136; SZ 19. 2. 1933 (H. Peichl).
644 beyer, Ständeideologien, 134.
645 LThK/I 9 (1937), 745–748 (A. scharnaGl).
6.6 DIE FAMILIE 361
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580