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nach mehr politischem Einfluss begründete er mit der volkswirtschaftlichen
Bedeutung der Hausarbeit und – wichtiger – damit, dass Frauenpolitik auch
Friedenspolitik sei.728 Mit der ihm eigenen begrifflichen Schärfe resümierte
er: „Während die Frauenassimilation eine Katastrophe ist, bedeutet die
Frauenemanzipation die Eroberung der Gleichberechtigung der Frau als Ge-
gengewicht zum einseitig männlichen Geist, ein Glück [...] für die gesamte
Menschheit.“729
Die Sozialgesetzgebung der dreißiger Jahre war ausschließlich am Mann
als Familienerhalter orientiert.730 Die Lage der Frauen am Arbeitsmarkt
verschlechterte sich drastisch731, und soweit sie arbeiteten, verdienten sie
deutlich weniger als die Männer.732 Auch von restriktiven Maßnahmen im
Bereich der Arbeitslosenfürsorge waren sie stärker betroffen als diese.733
Von hoher Tragweite war die sogenannte Doppelverdienerverordnung
vom 15. Dezember 1933, durch die Frauen aus dem Bundesdienst ausschei-
den mussten, wenn das Einkommen des Mannes eine gewisse Höhe über-
schritt.734 Fernziel war ein generelles Verbot verheirateter Frauen im öffent-
lichen Dienst.735 Die Verordnung war sehr umstritten; für ihre Abschaffung
traten nicht nur Frauenorganisationen736 und Gewerkschafter ein, etwa
Hermann Struber737, sondern auch konservative Wirtschaftswissenschafter
wie Ferdinand Degenfeld-Schonburg hatten Bedenken, besonders mit Blick
auf die Akademikerinnen, die in manchen Bereichen unverzichtbar seien.738
Struber äußerte auch Vorbehalte gegen Nebenbeschäftigungen bei Männern,
die in vielen Fällen zu Ungerechtigkeiten führten. Rund ein Jahr vor dem
Erlass der Verordnung hatte er zu einem maßvollen Vorgehen zumal in Fäl-
len gemahnt, in denen das geringe Einkommen des Mannes die Berufstätig-
728 Gehler, Der lange Weg 2, 64–66.
729 Zit. nach Gehler, Der lange Weg 2, 63.
730 Geider, Sozialabbau, 90–93; Grafeneder, Arbeiterfamilie, 59.
731 ennsmann, Frauenpolitik, 137.
732 Grafeneder, Arbeiterfamilie, 58.
733 ennsmann, Frauenpolitik, 103; erneGGer, Staatliche Sozialpolitik, 145; Grantl, Arbeits-
schlacht, 13; Pasteur, Kruckenkreuz, 163–169.
734 bandhauer-schöffmann, Männerstaat, 254; bei, Austrofaschistische Geschlechterpolitik,
passim; ennsmann, Frauenpolitik, 10 und 33–57; erneGGer, Staatliche Sozialpolitik, 142–
144; Grafeneder, Arbeiterfamilie, 72 und 78; hauch, Vom Androzentrismus, 357 f.; Kirch-
mayr, Frauenpolitik, 50–53; tálos, Zum Herrschaftssystem, 160; tálos, Herrschaftssystem
(2013), 383 f.
735 Geider, Sozialabbau, 69.
736 Viele räumten aber ein, dass außerhäusliche Erwerbsarbeit als Missstand zu betrachten
sei; bandhauer-schöffmann, Männerstaat, 273–275; Kirchmayr, Frauenpolitik, 84–86.
737 struber, Österreichs Wiederaufbau, 24.
738 MSchKP 1, 311 (F. deGenfeld-schonburG). 6.
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580