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mayer waren in dieser Frage ebenfalls sehr streng: Der Pädagoge diagnosti-
zierte „seelische Verarmung der Menschen“752, der Philosoph und Soziologe
legte der außer Haus arbeitenden Frau Gewinnsucht zur Last, die den Lohn
dem Sittengesetz überordne.753 Von protestantischer Seite kamen weniger
explizite Stellungnahmen zu diesem Thema, implizit lassen aber auch Erich
Stoekls Äußerungen einen weltanschaulichen Gleichklang erkennen.754
Guido Zernatto führte später, hierbei mit Wohlwollen an den Ständestaat
zurückdenkend, die vor allem im begüterten Mittelstand beobachtete „Angst
vor dem Kind“ auf simple Bequemlichkeit zurück.755 Der konservativ-libe-
rale Ökonom Wilhelm Röpke nannte die fehlende Bereitschaft, Kinder in die
Welt zu setzen, ein „Ausweichen vor dem Leben mit seinen Bindungen, Här-
ten, Pflichten und Risiken“.756
Die Politik der dreißiger Jahre schloss unverheiratet zusammenlebende
Personen von jeglicher Förderung aus757, prämierte hingegen Mütter mit
mindestens drei Kindern.758 Ein Antrag von Frauenvereinen auf Einrichtung
einer Hauswirtschaftskammer wurde allerdings abgelehnt.759 Bereits 1931
hatte Bartholomäus Fiala in der Reihe der von ihm konzipierten Stände-
kammern als eine besonders wichtige „die Kammer des Hausstandes“ ge-
nannt, „bei der jene Personen inkorporiert sind, die eine selbständige Haus-
wirtschaft führen. Es wird diese Kammer geradezu zu einer Frauenkammer
werden“.760 Auch Oskar von Hohenbruck zeigte Verständnis für den Wunsch,
einen Berufsstand der Hausfrauen zu gründen, weil „Hausfrauenschaft“ für
ihn alle Merkmale eines Berufs hatte und er allenthalben „Hausfrauenstolz“
wahrnehme. Letztendlich hatte für ihn aber der Gedanke der Dominanz des
männlichen Familienoberhaupts, von dem alle anderen Familienmitglieder
abhängig seien, Vorrang.761 Geradezu empört vermerkte Hermann Stipek,
dass „ein so gewiegter Staatsrechtler wie Merkl“ die Schaffung eines Berufs-
stands der Hausfrauen für möglich halte.762
752 hörburGer, Geschichte, 147.
753 K. luGmayer, Leos Lösung, 67.
754 stoeKl, Die evangelische Kirche, 16.
755 Zernatto, Die Wahrheit, 88.
756 habermann, Das Maß, 150.
757 ennsmann, Frauenpolitik, 29.
758 bandhauer-schöffmann, Mutteropfer, 69; ennsmann, Frauenpolitik, 27 f.; Grafeneder, Ar-
beiterfamilie, 70.
759 bandhauer-schöffmann, Männerstaat, 255; ennsmann, Frauenpolitik, 11 und 30–32; Juffin-
Ger, Politischer Katholizismus, 96; Kirchmayr, Frauenpolitik, 53–57; senft, Im Vorfeld, 67.
760 fiala, Die berufständische Organisation, 6.
761 v. hohenbrucK, Zur Frage, 9 f.
762 stiPeK, Das Werden, 20; vgl. hauch, Vom Androzentrismus, 364; tálos, Herrschaftssystem
(2013),126 f. 6.
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580