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veröffentlichten Aufsatz äußert diese Frau ihre Gedanken zur Selbständig-
keit und zur „wichtigen“ Zukunft der modernen Frau. Der Mann empfindet
Bewunderung, aber zugleich Unbehagen, weil sie nicht den Typus der nur
anschmiegsamen Frau verkörpert. Ihre (kranke) Mutter, eine Witwe, lässt
der Dichter sagen: „Was etwa an alten Idealen verloren geht, die ohnehin
meist nur in den Augen der Männer bestanden, wird reichlich aufgewogen
durch das, was wir Großes und Schönes erreichen werden.“772
Diese Stimme verlieh der Dichter einer Frau, die ihrer Zeit voraus war,
denn in den dreißiger Jahren waren die meisten Frauen politisch desin-
teressiert. Im Mittelpunkt des Lebens standen die Familie, die Angst vor
dem Nationalsozialismus, die Gräuel des Bürgerkriegs.773 Für alle war eine
strenge Rollenaufteilung in den Familien selbstverständlich.774 So wird
nachvollziehbar, warum selbst die Sozialdemokraten, die ja in ihren Partei-
programmen das Recht der Frau auf Arbeit forderten, dieses in der Praxis
kaum geltend machten.775 1930 erklärten in Arbeiterkreisen 95 Prozent der
verheirateten Frauen, sie würden zu Hause bleiben, wenn das Einkommen
des Mannes dies erlaubte, ja sie wünschten sich, immer bei den Kindern sein
zu dürfen.776
Ein Ansatz, der das Attribut „feministisch“ beanspruchen könnte, findet
sich bei Margarete Rada, die ihre bereits erwähnte sozialpädagogische Stu-
die über Proletariermädchen mit der Bemerkung einleitete, dass bisherige
Untersuchungen nur der männlichen Jugend gegolten hätten.777
Eine weitere die rigiden Muster der Männergesellschaft sprengende, al-
lerdings konservative Akademikerin war Maria Maresch, die 1919 als erste
Frau den Rang eines Sektionsrats im Unterrichtsministerium erlangte. Für
die Verfasserin einer Monographie über Katharina von Siena (als Disserta-
tion) stellte das Verhältnis der Geschlechter kein Problem dar. Sie beschrieb
es mit den Worten Gottes an die Heilige: „Vor mir gibt es nicht Mann noch
Weib, weil ich der Allmächtige bin!“ Katharina erschien ihr durch ihren Ein-
satz für die Gerechtigkeit und gegen die Gewalt als Vorbild für alle Frauen
geeignet. Als deren kennzeichnende Merkmale nannte Maresch „Hingabe“
und „Dienst für die Gesamtheit“. Durch Einsatz für eine „schöpferische Be-
rufspolitik“ könnten die Frauen viel zur Überwindung der Arbeitslosigkeit
beitragen – allerdings nicht durch Verzicht auf Berufstätigkeit, zumal in
772 GinZKey, Jakobus, 167 f.
773 Kirchmayr, Frauenpolitik, 63–74.
774 Kirchmayr, Frauenpolitik, 92–99.
775 ratZenböcK, Mutterliebe, 30.
776 ratZenböcK, Mutterliebe, 47.
777 rada, Proletariermädchen, 1. 6.
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580