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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Nationalismus siedelte von Hildebrand daher auf derselben Ebene an wie bei der Einzelperson den Individualismus. Im Gleichklang mit Alois Dempf797, philosophischem Kämpfer gegen Faschismus und Nationalsozi- alismus798, und mit Max Freiherr von Hussarek799 erklärte er: „Echte Va- terlandsliebe und Nationalismus sind so verschieden wie die echte, gottge- wollte Selbstliebe und die egoistische Eigenliebe.“ Während Nationalismus „kollektiver Egoismus“ sei, handle es sich bei echter Liebe zur Nation, der man angehört, um „sittlich positive Haltungen und wie jede gottgewollte geordnete Liebe sogar Pflicht“. Daraus resultiere, dass auch „jede fremde Nation in ihrer Eigenart als etwas Berechtigtes und Wertvolles anerkannt wird“.800 Auch für Ernst Karl Winter war der Zusammenhang zwischen Personalitätsprinzip und nationaler Idee evident801, desgleichen für Kurt Schuschnigg: Beide betonten den Vorrang des einzelnen Menschen, die nati- onalistische Zielsetzung nehme hingegen nur auf das Kollektiv Bedacht.802 Selbstredend konnte der Kanzler daher auch den propagandistischen Miss- brauch des Horazwortes dulce et decorum est pro patria mori durch die Na- tionalsozialisten nicht gutheißen.803 Diese Haltung blieb nicht ohne Folgen für das Verständnis von Identität: Im Sinn personalistischer Philosophie lässt sich der Begriff definieren als Brückenkopf, „[um] die als Freiheit ge- dachte Individualität des Individuums mit der als integrative Ordnung ge- dachten Struktur der Gesellschaft zu versöhnen“ (A. Nassehi).804 Die Vertreter solcher Standpunkte mussten sich daher von jenem moder- nen Nationalismus distanzieren, der auf dem Modell einer Nation von indivi- duellen Bürgern beruhte. In einer kulturellen und staatlichen Entität dieser Art, eben dem „Nationalstaat“ des 19. Jahrhunderts mit seinem Willen zum egalitären Umbau der überlieferten Gesellschafts- und Staatsordnung, sa- hen sie ein Produkt der jakobinischen Phase der Französischen Revolution, in dem, wie Andreas Posch überzeugt war805, die Gefahr der Entartung in aggressiven Imperialismus lauere.806 dere Integrationsfaktoren ersetzte; hanisch, Illusionist, 93; leisse, Der Untergang, 258 und 265. 797 berninG, Alois Dempf, 85. 798 otten, Die „Rettung“, 91; schmuGGe, Alois Dempfs „Sacrum Imperium“, 137 f.; seefried, Reich, 577 f. 799 NR 17. 10. 1920 (M. v. hussareK). 800 v. hildebrand, Memoiren, 261–264; v. hildebrand, Engelbert Dollfuß, 72. 801 heinZ, E. K. Winter, 271. 802 K. schuschniGG, Österreich, 21. 803 binder/H. schuschniGG, „Sofort vernichten“, 280. 804 Zit. nach schreyer, Die „Nation“, 43. 805 NR 13. 3. 1926 (A. Posch). 806 lanGewiesche, Nation, 39–41; lanGewiesche, ‚Nation’, 18–20; Payne, Geschichte, 52–54. 6.7 HEIMATBEWUSSTSEIN VERSUS NATIONALISMUS 377
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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