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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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der Volkssouveränität tritt die nationalständische Theorie der Begrenzung der Souveränität gegenüber den Völkern.“ Der Nationalstaat werde dadurch nicht ausgeschlossen, aber seine Wirksamkeit auf die ihm organisch zukom- menden Bereiche beschränkt. Die von der nationalstaatlichen Theorie ver- mengten Begriffe „Volk“ und „Staat“ müssten wieder getrennt werden. Be- sonders wichtig sei die Freiheit vom Staat in der geistig-seelischen Sphäre. Der Begriff „Volk“ lasse sich nicht nur nach objektiven Merkmalen fest- stellen, den Ausschlag gebe das subjektive Bekenntnis. Das Volk sei vor al- lem eine Willensgemeinschaft, die sich zu gemeinsamen geistig-seelischen Werten bekenne und für deren Erhaltung und Entfaltung Verantwortung trage. Die nationale Gemeinschaft stehe neben anderen geistig-seelischen Gemeinschaften und wirtschaftlichen Zusammenschlüssen, wie beispiels- weise Religionsgemeinschaften oder Berufsständen. Die Errichtung von Na- tionalständen führe nicht zur Aufsplitterung des Staates, vielmehr sei ein auf solcher Grundlage errichteter Staat gefestigter, weil niemand unter ei- ner Assimilierungspolitik leide. Bei Völkern, die in einer Gemengesiedlung liegen, werde die nationalständische Staatsgliederung als Lösung des Natio- nalitätenproblems besonders erwünscht sein.815 Karl Lugmayer warnte vor mythologischer Aufladung des Begriffs „Volk“: Eine solche würde einen Ganzheitsanspruch bedeuten, der dem des totalen Staates gleichkäme. Er wies daher auch die Vorstellung einer „Volksseele“ zurück; für ihn gab es nur die Seelen der einzelnen Menschen, die aufgrund ihrer wesenhaften Gesellschaftlichkeit einer Gruppe angehören und durch bestimmte, von anderen sich unterscheidende Formen antworten. Wozu es auf keinen Fall kommen dürfe, sei – unabhängig von den Kriterien der Defi- nition des Begriffs „Volk“ – dessen Gleichsetzung mit der politischen Macht. Volk und Staat seien verschiedene Dinge: „Der Staat ist stärker, das Volk ist reicher.“ Weder der eine noch das andere dürften das Eigenleben der Person aufsaugen, Ehrfurcht vor allen Äußerungen des Volkstums sei aber wün- schenswert, weil sie den Sinn für die dahinter liegenden naturgegebenen Gliederungen schärfe.816 Auch für Othmar Spann war das Volk nicht die letzte Ganzheit.817 Die Nation definierte er – gleich Dietrich von Hildebrand818 – als geistige Verge- meinschaftung und unterschied streng zwischen Volk und Rasse. Auch er- klärte er, nicht alle seien in gleichem Maß von der Nation ergriffen, und: „Im 815 tramPler, Die Krise, 76–86. 816 MSchKP 2, 777–780 und 786–789 (K. luGmayer); vgl. brineK, Arbeiter, 101; Pribyl, Der christlichsoziale Politiker, 142 f. 817 beyer, Ständeideologien, 153. 818 v. hildebrand, Engelbert Dollfuß, 77. 6.7 HEIMATBEWUSSTSEIN VERSUS NATIONALISMUS 379
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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