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deren Verhältnis zueinander in Erscheinung. Viktor Kienböck nannte sie
„kleine Republiken mit losem Zusammenhang untereinander; sie sperren
sich gegeneinander, insbesondere gegen Wien ab“.946
Engelbert Dollfuß verstand „unter gesundem Volkstum die Erhaltung
der Eigenart der einzelnen Volksstämme. So sehr wir Österreicher sind, so
sehr wir alle Deutsche sind, so sehr ist schon der Tiroler ein anderer Mensch
als der Vorarlberger, der Kärntner ein anderer als der Salzburger, Gott sei
Dank, dass es so ist, so wie die Menschen eben dann wertvoll sind, wenn sie
nicht Schablonen sind“.947
Franz Rehrl lobte das Anliegen des Kanzlers, das Eigenleben der Länder
zu wahren und sie in den Dienst des Vaterlands zu stellen. Auch für ihn
war klar, „dass der Vorarlberger anders geartet ist als der Burgenländer, der
Kärntner anders als der Oberösterreicher“. Diese alle befruchteten einander
wechselseitig, dürften aber nicht mechanisch zusammengeschweißt werden,
was „in öder, unfruchtbarer Gleichmacherei ausklingen“ würde. Der Begriff
„Österreich“ sei wieder zum Ideal geworden, und „alle Bundesländer, mögen
sie in ihrem Eigenleben noch so verschieden sein, bilden in Hinblick auf die-
sen Begriff eine Einheit im wahrsten Sinne des Wortes“. Die Gestaltung Ös-
terreichs als Bundesstaat stelle „die natürlichste und auch für die Durchfüh-
rung des ständischen Aufbaus Österreichs notwendige Staatsform“ dar.948
1919 stellte Hans Karl Zeßner-Spitzenberg in Zusammenhang mit der
Föderalismusdiskussion klar, der Zentralismus der Sozialdemokraten, der
nichts als „Schwärmerei für das Gleichmachen“ bedeute, bewirke „Lokal-
egoismus“. Wichtig sei hingegen eine konstruktive Verwertung des „Lands-
mannschaftsgeistes“: Nur „aus der freien Hingabe der Länder an das Ganze“
könne „ein lebendiges Staatswesen von dauerhafter Einheit“ entstehen,
umso mehr, als die Länder und ihre Organe „den zusammenbrechenden
Staat hier aufgefangen und die letzten Reste von Ordnung und Autorität
aufrecht erhalten“ hätten. Die österreichischen Länder seien ein Mittelding
zwischen Gliedstaaten und Gemeinden, es seien Länder mit staatlichen
Funktionen auf bestimmten Gebieten, die sich ihre Verfassung selbst gä-
ben.949 Es habe nichts mit Partikularismus zu tun, „wenn der Tiroler zu-
nächst Tiroler, der Kärntner zunächst Kärntner, der Steirer in erster Linie
Steirer ist und dann als solcher sich voll und ganz zum Vaterland Österreich
bekennt“. Den Länderföderalismus zu beseitigen hieße „die psychologische
946 KienböcK, Sanierungswerk, 12; vgl. Potočnik, Bewusstsein, 129.
947 Zit. nach busshoff, Dollfuß-Regime, 45.
948 CS 25. 8. 1935 (F. rehrl); zu Rehrls Glauben an die kulturelle Sendung Österreichs vgl.
Stock, „... nach Vorschlägen der Vaterländischen Front“, 31.
949 NR 20. 7. 1919 (H. K. Zeßner-sPitZenberG). 6.
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580