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Grundlage des Österreichertums [...] erschüttern“.950 Karl M. Stepan profi-
lierte sich als Schützer des steirischen Volkstums951, und für Georg Prader
nahm die Heimat in Oberösterreich Gestalt an. Gelegenheit, dies zu ver-
deutlichen, fand er in einer Monographie über den Dialektdichter Norbert
Hanrieder, den „Sänger des Mühlviertels“.952 Prader ordnete den Menschen
bestimmter Landschaften, ja selbst einzelner Mikroregionen innerhalb der-
selben, bestimmte Charakterzüge zu.953 Überzeugt davon, dass der Mensch
ein „Produkt des Bodens sei, dem er entsprossen ist, [...] ein Glied der Fami-
lien, aus deren Verbindung er entsprungen ist“, forderte er eine Literatur-
geschichte, die sich auf „Stammeszugehörigkeit“ aufbaut.954 An den Beginn
seiner Studie stellte Prader einen Vergleich mit anderen Landschaften, der
nach klassischem Agon klingt. Der Geburtsort allein zähle allerdings noch
zu wenig, es sei auch wichtig, wie lange eine Familie in der betreffenden
Landschaft ansässig sei.955
Aus genau diesem Grund gelang es Franz Karl Ginzkey nach eigener
Aussage nicht, das österreichische Küstenland innerlich als Heimat anzuer-
kennen, obwohl er dort einige Jahre seiner Jugend verbracht hatte.956 Nach
seiner Versetzung nach Pola im Rang eines Leutnants begann für den lite-
rarisch Ambitionierten eine diesbezüglich wenig fruchtbare Zeit. Er glaubte
den Grund zu kennen: „[...] und man hat mich sogar meiner poetischen Lehr-
mittel beraubt, indem man mir eine Umgebung gab, deren Sprache ich nicht
verstehe.“957 An anderer Stelle beschrieb er sein Leben als die Suche seiner
Seele nach der ihm „geistverwandten Landschaft“; er habe den Drang emp-
funden, „Wurzel zu fassen“, freilich wissend, dass ihm letzte Gewissheit ver-
sagt bleiben würde.958 Er nahm eine Einheit von Landschaft, Menschen- und
Brauchtum an, „an deren organischem Aufbau kein Zweifel mehr besteht“.959
Es sei etwas völlig anderes, ob man im eigenen oder inmitten eines fremden
Volks aufwachse, stellte er mit Bezug auf die verschiedenen Kronländer der
Monarchie fest.960 Letztendlich war Heimat für ihn der Garant für den „Geist
950 CS 18. 3. 1934 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
951 binder 1982, Karl Maria Stepan, 173; binder, Stepan/Dobretsberger, 19.
952 Prader, Norbert Hanrieder, 171.
953 Prader, Norbert Hanrieder, 5; vgl. NR 5. 7. 1924.
954 Josef Nadler vertrat die These, die gesamtdeutsche Literaturvielfalt erkläre sich aus
„Stammeseigentümlichkeiten“; tálos, Handbuch, 483 (H. haas).
955 Prader, Norbert Hanrieder, 1 f.
956 heydemann, Literatur und Markt, 27.
957 heydemann, Literatur und Markt, 30 f.
958 GinZKey, Heimatsucher, 242 f.
959 GinZKey, Heimatsucher, 88.
960 GinZKey, Heimatsucher, 13.
6.7 HEIMATBEWUSSTSEIN VERSUS NATIONALISMUS 393
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580