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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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des Gemeinsamen“ und befriedigte die „Sehnsucht nach Gemeinschaftskul- tur“.961 Im Begriff „Sehnsucht“ schwingt die Grundbedeutung des griechi- schen Wortes „Nostalgie“ mit, nämlich das Leiden am Verlust der Möglich- keit einer Rückkehr zu einer besseren Vergangenheit, verursacht durch das Gefühl der Unzufriedenheit mit der Gegenwart, wie es in Zeiten größerer politischer Umbrüche und ungewisser Zukunft häufig zu beobachten ist.962 Franz Kolb thematisierte Länderpatriotismus nicht explizit als Gegen- satz zum Staatspatriotismus, faktisch war sein Horizont jedoch auf Tirol beschränkt. Die Früchte seiner gleichwohl professionell betriebenen Ge- schichtsforschung waren vornehmlich für Mittelschüler963 und Teilnehmer an patriotischen Veranstaltungen gedacht; sofern er sie schriftlich nieder- legte, erreichten sie jedoch auch die akademische Welt, denn er publizierte in renommierten Organen.964 Als Mitglied der Studentenverbindung Tirolia, die dem Ständestaat nahestand, betonte er deren landsmannschaftlichen Charakter965, der sich schon im Namen spiegle.966 Kolbs Interesse galt der bäuerlichen Welt, die er am Beispiel seiner Wipptaler Heimat akribisch er- forschte.967 Durch die seelsorgliche Tätigkeit verlor er auch die lebendige Be- ziehung zum Bauerntum nicht. Häufig trat er bei Heimkehrerfeiern und bei der Einweihung von Gefallenendenkmälern als Redner auf, wobei er – wie als Geschichtslehrer am Brixner bischöflichen Gymnasium Vinzentinum – Patriotismus zu vermitteln versuchte.968 Zeit seines Lebens betonte er die Wichtigkeit von Tradition, Geschichte und Vätererbe als Gegengewicht ge- gen Materialismus, Überfremdung und Indifferentismus.969 Ähnliche Gedanken leiteten Leopold Teufelsbauer: Sitte und Brauch seien im Leben eines Volks „erhaltende Mächte“, die den Menschen Halt, Schönheit und Würde gäben. Ihre Pflege müsse vom Volk selbst ausgehen, wenn sie nicht „wertlose Verstandeskonstruktion“ bleiben wolle.970 Carl Vau- goin setzte sich für diesen Gedanken ein, weil er es möglich mache, „nicht 961 GinZKey, Heimatsucher, 162. 962 GheZZi, Nostalgia, 52–58. 963 Zunächst Lehrer für Geschichte am Vinzentinum in Brixen, wirkte er nach der Ausweisung durch die faschistischen Behörden 1923 als Religionslehrer in Innsbruck. 1936 war er Direk- tor der dortigen Lehrerbildungsanstalt, 1939–1941, nach der Vertreibung der Jesuiten aus Innsbruck, Professor für Kirchengeschichte am Priesterseminar in Volders; Kramer, Franz Kolb, 565 f.; Kriechbaumer, Dieses Österreich, 345; reitmair, Msgr. Prof. Dr. Franz Kolb, 17. 964 Genannt seien vor allem die Zeitschrift Tiroler Heimat und die Reihe Schlern-Schriften. 965 Vgl. binder, Politischer Katholizismus, 29 und 73. 966 Kolb, Tirolia, 13. 967 Kramer, Franz Kolb, 573 f. 968 Kramer, Franz Kolb, 567. 969 Kramer, Franz Kolb, 572. 970 teufelsbauer, Die geistigen Grundlagen, 21 f. 6. STANDESBEWUSSTSEIN394
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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