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erfasse.6 Karl Lugmayer sprach von „Ganzheiten“ zwischen Individuum und
Gesellschaft mit dem Charakter der Mittelbarkeit7: Die „stärkste“ sei die Fa-
milie8, die „wichtigste“ der Beruf.9 Johannes Messner versprach sich von der
berufsständischen Ordnung „die Wiederherstellung der wahren Ordnung im
Verhältnis von Einzelmensch und Gemeinschaft, [...] von Gesellschaft und
Staat. Aus der Masse soll wieder Volk werden, wohlgegliederte Gesellschaft,
die von gefestigten Lebensordnungen getragene Gemeinschaft“.10
Den Berufsstand definierte Lugmayer als eine durch Gleichheit der wirt-
schaftlichen Tätigkeit verbundene Gemeinschaft.11 Rudolf Kinsky ergänzte,
es dürfe darin keinen „Unterschied der Stellung“ der Mitglieder geben.12
Richard Schmitz verglich die Berufsstände im Staat mit den im Ganzen
Haus lebenden Kindern und erklärte daher das vierte Gebot als für sie ver-
bindlich.13 Gleich den kulturellen Gemeinschaften seien sie „nach inneren
Gesetzen“ gefügt, die sie von der „gestaltlose(n) Masse“ unterschieden14, und
verbunden „durch die [...] gemeinsame soziale Funktion“.15
Nach der Ausschaltung des Nationalrats am 4. März 1933 forderte Fried-
rich Funder in der Reichspost die rasche Umsetzung der berufsständischen
Ordnung.16 Rund ein Jahr später erklärte Richard Schmitz, das österreichi-
sche Experiment werde von der ganzen Welt als bedeutsam für die Bewäh-
rung der katholischen Gesellschaftslehre verstanden. Nicht nur führende
Kreise in Staat und Gesellschaft, sondern auch die Volksmassen setzten in
das Werk große Hoffnungen und seien an seinem Gelingen interessiert.17
6 seiPel, Der Kampf, 60 f.; vgl. diamant, Katholiken, 100; hasiba, Der berufsständische Ge-
danke, 108.
7 K. luGmayer, Grundrisse, 117 und 156; MSchKP 2, 783–786 (K. luGmayer); R. schmitZ, Das
christlichsoziale Programm, 44; diamant, Katholiken, 224; vgl. hanisch, System, 452.
8 K. luGmayer, Grundrisse, 227; vgl. KarPeles, Klassenkampf, 19; Kriechbaumer, Erzählun-
gen, 312.
9 K. luGmayer, Linzer Programm, 60.
10 Zit. nach PytliK, Berufsständische Ordnung, 69; vgl. MSchKP 1, 8 (J. messner); messner,
Ordnung, 12 f. und 243; MSchKP 1, 17–20 (J. messner).
11 K. luGmayer, Linzer Programm, 8 und 60; K. luGmayer, Grundrisse, 115; ähnlich adam,
Staatsprogramm, 67; ilG, Uns alle, 46; KunschaK, Österreich, 145; vgl. diamant, Katholiken,
201; hättich, Wirtschaftsordnung, 114–121; P. huemer, Entstehung, 608; P. nolte, Ständi-
sche Ordnung, 244; PytliK, Berufsständische Ordnung, 154; tálos/manoscheK, Aspekte, 137.
12 KinsKy, Entwurf, 6.
13 R. schmitZ, Das christlichsoziale Programm, 20–22; vgl. allmayer-becK, Konservatismus,
42.
14 CS 16. 12. 1934 (R. schmitZ).
15 R. schmitZ, Die berufsständische Neuordnung, 11; vgl. braun, Der politische Lebensweg,
288 f.
16 funder, Aufbruch, 165; vgl. Knoll, Das Ringen, 4.
17 R. schmitZ, Die berufsständische Neuordnung, 5 f. 7. DIE BERUFSSTÄNDISCHE
ORDNUNG436
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580