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lich seien: Diese Menschen erzeugten immaterielle Güter höherer Ordnung,
könnten nicht nach einer Schablone arbeiten und hätten, eher von Pflichtbe-
wusstsein und Ehrgeiz als vom Drang des Verdienens geleitet, höchste ethi-
sche Anforderungen. Auch die Bezeichnung sei problematisch, denn die Ver-
treter dieser Berufe seien an Regeln gebunden, sogar an besonders strenge,
so dass sie, wiewohl von Weisungen übergeordneter Stellen unabhängig,
nicht als „frei“ bezeichnet werden könnten. Der Grundsatz der Selbständig-
keit dürfe nicht das entscheidende Kriterium sein, wie sich beispielsweise
bei Krankenhausärzten oder Universitätsprofessoren zeige. Da sie zum Ge-
meinwohl einen überdurchschnittlichen Beitrag leisteten, sollten sie auch
bei nicht erfolgter ständischer Organisation in großer Zahl in die vorbera-
tenden Organe berufen werden.369 Es gab also trotz aller organizistischen
Bekenntnisse faktisch einen ständischen Rangordnungsindex.370
Otto Ender unterschied innerhalb der Freien Berufe die „wirtschaftlichen“
von den „kulturellen“ (auch: „geistigen“) Ständen; für Letztere hätte er aller-
dings den Begriff „Gemeinschaften“ vorgezogen.371 Georg Froehlich erklärte
in seinem Kommentar der Maiverfassung, das Staatsvolk sei „nach Kultur-
gemeinschaften und Berufsständen“ organisiert.372 Ziel der begrifflichen Un-
terscheidung war es, Bereiche, in denen die weltanschaulichen Gegensätze
am stärksten hervorträten, von der Wirtschaft fernzuhalten.373 Nachdrück-
lich warnte Ender schon 1933 davor, mit dem Aufbau dieses Berufsstands
beliebig lange zuzuwarten, denn es sei zu befürchten, dass manche Grup-
pen, die zu ihm gehören, die Aufnahme in die wirtschaftlichen Stände for-
derten.374 Odo Neustädter-Stürmer hielt dem entgegen, dass jeder Mensch
sowohl wirtschaftliche als auch kulturelle Interessen habe.375
Ein Beispiel ständischer Organisation im Stand der Freien Berufe ist die
1936 gegründete Pressekammer.376 Dagegen scheiterten Versuche der Grün-
dung einer Künstlerkammer.377 Für eine Schrifttumskammer setzte sich
insbesondere Rudolf Henz ein. Im November 1936 fand auf Initiative Guido
Zernattos das erste österreichische Dichtertreffen statt, bei dem davon die
369 MSchKP 2, 793–804 (H. foGlar-deinhardstein).
370 Vgl. schwinn, Ständische Verhältnisse, 92 f.
371 wohnout, Verfassungstheorie, 246.
372 froehlich, Die Verfassung 1934, 37.
373 PMR VIII/5, Prot. 919/3 (1. 2. 1934), 511.
374 PMR VIII/5, Prot. 912/2 (21. 12. 1933), 281.
375 neustädter-stürmer, Gesetzgebung, 6.
376 Golowitsch, Der berufsständische Aufbau, 49.
377 PMR VIII/5, Prot. 911/11 (15. 12. 1933), 228; S. amann, Kulturpolitische Aspekte, 164; Pfo-
ser/renner, Ein Toter, 342. 7. DIE BERUFSSTÄNDISCHE
ORDNUNG470
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580