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ger“.404 Den Landtagsabgeordneten Hans Gamper würdigte er als einen Po-
litiker, der ins traditionell schwierige Verhältnis zwischen Arbeitern und
Akademikern Entspannung gebracht habe. Dem Bauernbund gebühre An-
erkennung für seine Bemühungen um gesellschaftliche Zusammenarbeit.405
Für Richard Kerschagl waren Kammern, Genossenschaften u. Ä. hingegen
Einrichtungen, die ständische Elemente „in den Hintergrund“ drängten.406
Das Faktum, dass gerade der Gewerkschaftsbund einen raschen Fortschritt
des ständischen Aufbaus nicht wünschte407, bestätigt die Richtigkeit seiner
Einschätzung.
Jenseits der Sichtweisen der mitgestaltenden Zeitgenossen darf nicht
übersehen werden, dass das unentwegte Propagieren des Berufsständi-
schen eine Vermehrung von Organisationen zur Wahrung von Interessen
brachte, vor allem auf den unteren Ebenen. Dies führte zu der paradoxen
Erscheinung, dass Partikularinteressen letztlich entschiedener vertreten
wurden als in der Zeit der parlamentarischen Demokratie.408 Daher ist die
1937 in der MSchKP vorgebrachte Kritik an einer vermeintlichen „ständi-
schen Überbürokratie“ nachvollziehbar: Die berufsständische Ordnung habe
nicht, wie erwartet, zu einer Vereinfachung der Abläufe, sondern zum Auf-
bau komplexer Apparate geführt.409 Somit kam eine der berufsständischen
Idee in der Theorie fernstehende etatistische Komponente in der Praxis ve-
hement zum Tragen.410
Dies konnte selbst Ludwig Adamovich, einer der Väter der Maiverfas-
sung, nicht leugnen, obwohl er den ständischen Aufbau grundsätzlich be-
fürwortete. 1938, kurz vor dem Ende des selbständigen Österreich, glaubte
er für das Scheitern des berufsständischen Aufbaus außer administrativen
Hürden und der noch nicht erfolgten Verankerung der ständischen Idee im
Denken und Fühlen aller Beteiligten auch „das Mitreden aller“ angeben zu
dürfen: Dadurch werde alles verkompliziert und das Subsidiaritätsprinzip
außer Kraft gesetzt.411
Eher persönliche Genugtuung als echte Identifikation mit dem berufs-
ständischen Gedanken spricht aus Johann Blöchls aus späterer Rückschau
404 Kolb, Dr. Hans Gamper, 118.
405 fritZ, Farben tragen, 170; Kolb, Dr. Hans Gamper, 116 f.
406 KerschaGl, Die Quadragesimo anno, 8; zu der in den verschiedenen Interessenorganisatio-
nen bestehenden Diskrepanz zwischen Norm und Realität vgl. tálos/manoscheK, Aspekte,
139–142.
407 GoldinGer/binder, Geschichte, 279.
408 Pasteur, Kruckenkreuz, 99.
409 MSchKP 2, 264 und 352–354.
410 mommsen, Theorie, 182.
411 MSchKP 3, 5–14 (L. adamovich). 7. DIE BERUFSSTÄNDISCHE
ORDNUNG474
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580