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besserer Form verwirklichen.427 Für Leopold Kunschak wäre im Fall einer
gelungenen Verbindung mit dem Ständesystem eine „absolute Demokratie“
entstanden.428 Der Arbeiterführer war von der Notwendigkeit eines Parla-
ments als übergeordneter Instanz überzeugt.429 1936 erklärte er: „Stände
müssen mit demokratischer Vollmacht ausgestattet sein. Zuerst die Stände,
dann der Ständestaat. [...] Aber es wird nur möglich sein, wenn man dieser
Demokratie ihre Rechte wieder gibt. […] Die ständische Gliederung muss
gleichzeitig der demokratische Aufbau von unten sein.”430 Nicht minder ein-
dringlich warnte Franz Rehrl davor, das parlamentarische System einseitig
zu Gunsten der berufsständischen Idee herunterzuspielen.431 Während die
Berufsstände vornehmlich auf die Wirtschaft beschränkt seien, gebe es eine
Reihe von Rechten, in denen alle Menschen gleich seien: Fragen wie Persön-
lichkeit, Freiheit, Ehre, Erziehung u. Ä. könnten nur in einem Parlament ge-
löst werden.432 Ludwig Hülgerth resümierte: „Die Landes- und Staatspolitik
muss stets über der Standespolitik stehen.“433
Johannes Messner dachte an ein Zweikammernsystem: Wirtschaftlich-so-
ziale Belange sollten dem „Ständehaus“, politisch-kulturelle dem „Volks-
haus“ obliegen.434 Dies versuchte Karl Lugmayers Verfassungsentwurf von
1933 (Kap. 3.7). Überzeugt davon, dass ständische Selbstverwaltung durch
Missbrauch ebenso gefährdet sei wie die parlamentarische Demokratie435,
forderte der Philosoph eine allgemeine, aus Wahlen hervorgegangene Volks-
vertretung. Der Nationalrat sollte direkt vom Volk gewählt, der Bundes-
rat indirekt bestellt werden: Ihm sollten durch den Bundespräsidenten er-
nannte und aus der Ständekammer delegierte Mitglieder angehören. Die
Ständekammer sollte in Fragen ihrer Kompetenz ein Korrektiv zur parla-
mentarischen Körperschaft darstellen. Dass die Berufsstände alle Aufgaben
übernehmen könnten, war nicht Lugmayers Überzeugung.436 Guido Zernatto
lieferte kein Konzept, sondern eine Beurteilung der Lage (1938): „Die ständi-
sche Verfassung Österreichs war ein Mittelding zwischen parlamentarischer
Demokratie und Faschismus.“437
427 henZ, Fügung, 187.
428 JaGschitZ, Ständestaat, 505.
429 PelinKa, Stand, 197; reichhold, Leopold Kunschak, 34–37.
430 wiltscheGG, Heimwehr, 317.
431 schreiner, Franz Rehrl, 88 f.
432 CS 4. 2. 1934 (F. rehrl); vgl. H. dachs, Franz Rehrl, 259.
433 CS 16. 12. 1934 (L. hülGerth).
434 PytliK, Berufsständische Ordnung, 44.
435 CS 26. 8. 1934 (K. luGmayer).
436 K. luGmayer, Linzer Programm, 68; K. luGmayer, Grundrisse, 83.
437 Zernatto, Die Wahrheit, 82; vgl. Zimmer, Guido Zernatto, 109.
7.5 PROBLEME DER BERUFSSTÄNDISCHEN ORDNUNG 477
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580