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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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besserer Form verwirklichen.427 Für Leopold Kunschak wäre im Fall einer gelungenen Verbindung mit dem Ständesystem eine „absolute Demokratie“ entstanden.428 Der Arbeiterführer war von der Notwendigkeit eines Parla- ments als übergeordneter Instanz überzeugt.429 1936 erklärte er: „Stände müssen mit demokratischer Vollmacht ausgestattet sein. Zuerst die Stände, dann der Ständestaat. [...] Aber es wird nur möglich sein, wenn man dieser Demokratie ihre Rechte wieder gibt. […] Die ständische Gliederung muss gleichzeitig der demokratische Aufbau von unten sein.”430 Nicht minder ein- dringlich warnte Franz Rehrl davor, das parlamentarische System einseitig zu Gunsten der berufsständischen Idee herunterzuspielen.431 Während die Berufsstände vornehmlich auf die Wirtschaft beschränkt seien, gebe es eine Reihe von Rechten, in denen alle Menschen gleich seien: Fragen wie Persön- lichkeit, Freiheit, Ehre, Erziehung u. Ä. könnten nur in einem Parlament ge- löst werden.432 Ludwig Hülgerth resümierte: „Die Landes- und Staatspolitik muss stets über der Standespolitik stehen.“433 Johannes Messner dachte an ein Zweikammernsystem: Wirtschaftlich-so- ziale Belange sollten dem „Ständehaus“, politisch-kulturelle dem „Volks- haus“ obliegen.434 Dies versuchte Karl Lugmayers Verfassungsentwurf von 1933 (Kap. 3.7). Überzeugt davon, dass ständische Selbstverwaltung durch Missbrauch ebenso gefährdet sei wie die parlamentarische Demokratie435, forderte der Philosoph eine allgemeine, aus Wahlen hervorgegangene Volks- vertretung. Der Nationalrat sollte direkt vom Volk gewählt, der Bundes- rat indirekt bestellt werden: Ihm sollten durch den Bundespräsidenten er- nannte und aus der Ständekammer delegierte Mitglieder angehören. Die Ständekammer sollte in Fragen ihrer Kompetenz ein Korrektiv zur parla- mentarischen Körperschaft darstellen. Dass die Berufsstände alle Aufgaben übernehmen könnten, war nicht Lugmayers Überzeugung.436 Guido Zernatto lieferte kein Konzept, sondern eine Beurteilung der Lage (1938): „Die ständi- sche Verfassung Österreichs war ein Mittelding zwischen parlamentarischer Demokratie und Faschismus.“437 427 henZ, Fügung, 187. 428 JaGschitZ, Ständestaat, 505. 429 PelinKa, Stand, 197; reichhold, Leopold Kunschak, 34–37. 430 wiltscheGG, Heimwehr, 317. 431 schreiner, Franz Rehrl, 88 f. 432 CS 4. 2. 1934 (F. rehrl); vgl. H. dachs, Franz Rehrl, 259. 433 CS 16. 12. 1934 (L. hülGerth). 434 PytliK, Berufsständische Ordnung, 44. 435 CS 26. 8. 1934 (K. luGmayer). 436 K. luGmayer, Linzer Programm, 68; K. luGmayer, Grundrisse, 83. 437 Zernatto, Die Wahrheit, 82; vgl. Zimmer, Guido Zernatto, 109. 7.5 PROBLEME DER BERUFSSTÄNDISCHEN ORDNUNG 477
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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