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als das kaum ein Lustrum währende autoritäre System in Österreich. Dass
manche Intellektuelle – besonders griffige Formulierungen fand Ernst Karl
Winter132 – den Konservatismus in diesem Land als wirksames Mittel gegen
den damals drohend sich aufschwingenden Nationalsozialismus betrachte-
ten, ist ein Grund, die Forschungsfrage wie folgt zu stellen: „Was bedeutet
‚Stand‘ für die Protagonisten des österreichischen Ständestaates?“
1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt
„Stand“, Ausdruck einer stabilen, auf Gruppen mit unterschiedlichen
Rechten und Pflichten beruhenden Gesellschaftsordnung133, aber auch der
Bejahung gemeinsamen Stehens in einem rechtsverbindlichen größeren
Ganzen, das metaphysisch zu begreifen ist (ordo)134, ist seit der Antike eine
politische Kategorie. Im europäischen Mittelalter war damit vornehmlich
der Geburtsstand gemeint, aber schon damals kam auch die Ordnung der
Berufe mit ins Spiel.135 Ab dem Spätmittelalter waren Stände sodann Or-
gane jener „geteilten Herrschaft“, bei der die Fürsten nur eine Seite wa-
ren.136 Im Zeichen der wirtschaftlichen Umbrüche der Neuzeit, die, von Eng-
land ausgehend, dem Kapitalismus den Weg bereiteten, nahm „Stand“ auch
die Bedeutung status an, worin eine gewisse Leistungsorientierung zum
Ausdruck kommt.137
Max Weber bezeichnete ständisches Denken als Aspekt traditionaler
Herrschaft.138 Gegenkräfte erwuchsen dieser in den Vereinheitlichungsten-
denzen des Absolutismus und der Aufklärung und der parallel dazu einset-
zenden „demokratischen“ Strömung, in deren Weltbild Sondergemeinschaf-
ten, die das Individuum vom Staat trennten, nicht passten.139 So wurde der
Stand in dieser Zeit des Übergangs zur rationalen Herrschaft140 zunehmend
in Frage gestellt.
erlaubt es nicht, das politische System in Österreich als „konservative Diktatur“ zu be-
zeichnen; thaler, Legitimismus, 70, Anm. 4.
132 ePPel, Österreicher 2, 421.
133 bohn, Ständestaatskonzepte, 12 f.
134 GG 6 (1990), 158 (Stand/Klasse, O. G. oexle); LThK/III 9 (2000), 924 f. (N. GlatZel).
135 bohn, Ständestaatskonzepte, 26; LThK/III 2 (1994), 296 f. (U. nothelle-wildfeuer).
136 maZohl-wallniG, Zeitenwende, 69–71.
137 Vgl. die bündige Darstellung bei schreyer, Die „Nation“, 51.
138 weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 130–140.
139 GG 6 (1990), 211–217 (Stand/Klasse, W. conZe); mayer-tasch, Korporativismus, 7; scham-
becK, Kammerorganisation, 452; schwinn, Ständische Verhältnisse, 78.
140 weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 124.
1.2 STAND: DER BEGRIFFLICHE AUSGANGSPUNKT 33
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580