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berg’schen Waldbesitzungen allerdings.269 Obwohl der Adel am längsten dem
ständischen Ideal verhaftet blieb270, trat er in der Ersten Republik politisch
eher wenig hervor.271 Die Mehrheit der Aristokratie zog es nicht in Erwä-
gung, Trägerin der gesellschaftlichen Umgestaltung zu werden, wie es Vo-
gelsang gewünscht hätte.272 Die Eingliederung des Adels in die Parteien war
für seine im Stil von Honoratioren agierenden Mitglieder nicht möglich.273
Gleichwohl wurden im Ständestaat einige Führungspositionen an Mitglie-
der der Hocharistokratie vergeben.274 Der Führerrat der VF bestand zu fast
einem Drittel aus Adligen.275 Dass diese auch in den Regierungen stärker
vertreten waren als die Bauern276, könnte damit zusammenhängen, dass
der Adel, was Vogelsang277 und August M. Knoll278 in Erinnerung riefen,
in früheren Zeiten der legitime Organisator und politische Vertreter des
Bauernstands war. In den Kabinetten von Engelbert Dollfuß waren 14 Pro-
zent Angehörige des alten Adels, in den Kabinetten Kurt Schuschniggs 16
Prozent.279 In den vorberatenden Organen war die neue Aristokratisierung
weniger spürbar.280 Ehrenämter wie die von Alois Schönburg-Hartenstein
innegehabte Präsidentschaft der Österreichischen Gesellschaft vom Roten
Kreuz281 entsprachen adligem Ethos in besonderem Maß.
6.5 Bauerntum als Ideal
Wesensmerkmale
In den dreißiger Jahren genoss das Land höhere Wertschätzung als die
Stadt.282 Der Ständestaat verherrlichte die bäuerliche Lebenswelt gera-
269 hanisch, Die Politik, 54 f.
270 KrüGer, Demokratisches und ständisches Denken, 330.
271 waltersKirchen, Adel, 86.
272 iber, Vom Syllabus, 14; streitenberGer, Leitbild, 89 f.; senft, Im Vorfeld, 57.
273 steKl, Zwischen Machtverlust und Selbstbehauptung, 161.
274 waltersKirchen, Adel, 91.
275 G. waGner, Hochschülerschaft, 197.
276 hanisch, Die Politik, 81.
277 allmayer-becK, Vogelsang, 138.
278 Knoll, Das Ringen, 10.
279 v. Preradovich, Führungsschichten, 187; ähnliche Grundaussage bei stimmer, Eliten, 825.
280 steKl, Österreichs Adel, 118 f.
281 holub, Fürst Alois Schönburg-Hartenstein, 27–29; Kriechbaumer, Dieses Österreich, 473;
wiltscheGG, Heimwehr, 361.
282 hanisch, 1934, 18; unterrainer, Wirtschaftspolitik, 64.
6.5 BAUERNTUM ALS IDEAL 329
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580