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ßerliches katholisches Gedankengut.38 Auch Karl Lugmayer gehörte zu den
Personen, denen er sich sehr verbunden fühlte.39
Rudolf Henz umschrieb den Solidarismus 1934 mit dem Begriff „wahrer
Sozialismus“, in seinen Augen eine „große Idee“.40 Seine besondere Wert-
schätzung galt Richard Schmitz.41 Für diesen war der Solidarismus dazu an-
getan, sozialen Utopismus abzuschwächen.42 Papst Leo XIII. lobte er für sein
Engagement in der Arbeiterfrage, QA schätzte er als Gegengewicht gegen
den gesellschaftlichen Zersetzungsprozess und als Beitrag zur Entproletari-
sierung.43 1924 stellte er zu seiner eigenen Person fest: „Ich bin eben Sozial-
politiker, nicht Sozialdemokrat.“44
Leopold Figl sprach von „Solidarismus“ noch in der Zweiten Republik;
1951, bei seiner Abschiedsrede als Bundesparteiobmann der ÖVP, verwen-
dete er das Wort als Gegenbegriff zu „Klassenkampf“.45 Ähnliche Aussagen
sind von Lorenz Karall bekannt.46
7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen
Ein in Österreich schon früh sichtbares Ergebnis des Solidaritätsprinzips,
das für die Entwicklung des Standesbegriffs der dreißiger Jahre hoch zu
veranschlagen ist, ist das Genossenschaftswesen. Das Genossenschaftsge-
setz von 1873 war aus dem Bewusstsein entstanden, dass der Bauer durch
die Dekorporierung der ständischen Gesellschaft gefährdet sei.47 In den
1880er-Jahren wurden als offizielle Vertretungskörper der Landwirtschaft
Landeskulturräte gegründet, in denen ständisch-korporative Vorstellungen
umgesetzt wurden.48 Damals galt organisatorische und politische Mobilisie-
rung als „Standesbildung“.49 Allmählich gediehen die Genossenschaften zu
einem wichtigen Faktor der Macht- und Herrschaftsverhältnisse am Land50;
sie waren freilich auch dem Aufbau einer Honoratiorenstruktur und dem
38 KunschaK, Werden, 11; vgl. P. huemer, Entstehung, 599 f.
39 KunschaK, Werden, 25.
40 henZ, Fügung, 129.
41 henZ, Fügung, 120.
42 braun, Der politische Lebensweg, 7–9; vgl. seliGer, Scheinparlamentarismus, 33.
43 R. schmitZ, Der Weg, 12; vgl. huber, Die Verfassung, 21.
44 braun, Der politische Lebensweg, 83.
45 fiGl, Ansichten, 180.
46 wurm, Dr. Lorenz Karall, 222.
47 drobesch, Vereine, 1065.
48 drobesch, Vereine, 1069; tálos, Handbuch, 354 (E. brucKmüller).
49 brucKmüller, Der Bauernstand, 803.
50 mattl, Agrarstruktur, 362.
7.3 EXKURS: DAS GENOSSENSCHAFTSWESEN 439
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580