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Im März 1937 organisierte die Paneuropa-Union in Wien eine Kundgebung,
an der u. a. Ludwig Draxler, Ludwig Hülgerth, Wilhelm Taucher und Alois
Schönburg-Hartenstein teilnahmen. 1938 flüchtete Coudenhove-Kalergi in
die Schweiz.338
Coudenhove-Kalergis Denken, das vor allem bei Intellektuellen Anklang
fand339, sollte jenseits tagespolitischer Überlegungen zur Kenntnis genom-
men werden – auch wenn sein Verständnis von Humanismus bereits zu sei-
ner Zeit, etwa in der einflussreichen Reichspost oder in der SZ, verhalten,
mitunter skeptisch beurteilt wurde; seine Aktivitäten beruhten auf bloßer
Betriebsamkeit und seien überzogen und unrealistisch, so etwa Richard von
Schaukal.340 Der CS beurteilte die Paneuropa-Bewegung differenziert: Als
Gegengewicht gegen den Nationalsozialismus und als Versuch, eine Ord-
nung der Völker zu finden, sei sie zu begrüßen; auch dass sie in die Schulen
Eingang zu finden bemüht sei, müsse man gutheißen. Vermisst wurde aber
das ausdrückliche Bekenntnis zum Christentum: Die Bändigung und Ratio-
nalisierung nationaler Instinkte allein genüge nicht, so wichtig sie sei, denn
dies wolle auch der sozialdemokratische Internationalismus.341
3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage
Im April und Mai 1933 versammelte Richard Schmitz mit Wissen von Bun-
deskanzler Dollfuß einen Kreis katholischer Intellektueller, der Vorschläge
für einen ständischen Umbau der Verfassung unterbreiten sollte, u. a. Au-
gust M. Knoll, Johannes Messner, Friedrich Funder und Karl Lugmayer.342
Im September 1933 trat Schmitz, von Funder ermuntert, als Sozialminister
ins Kabinett Dollfuß ein.343 Im Dezember erklärte er, der Verfassungsreform
müsse eine Gesellschaftsreform vorausgehen.344
Versuche zu einer solchen reichten in das 19. Jahrhundert zurück; mitzu-
denken hat man die tiefe Verankerung berufsständischen Gedankenguts in ka-
tholischen Einrichtungen.345 1891 – in einer Zeit der Renaissance des Thomas
338 conZe, Richard Coudenhove-Kalergi, 51; Gehler, Der lange Weg 1, 64–66.
339 ZieGerhofer-Prettenthaler, Botschafter Europas, 331.
340 SZ 14. 11. 1926 (R. v. schauKal); Gehler, Der lange Weg 1, 26 und 31.
341 CS 26. 5. 1935 (V. franKl).
342 rumPler, Ständestaat, 237; wohnout, Verfassungstheorie, 99–102; wohnout, Die Verfas-
sung, 19.
343 braun, Der politische Lebensweg, 261–265.
344 wohnout, Verfassungstheorie, 172.
345 busshoff, Berufsständisches Gedankengut, 453 f.; wohnout, Bürgerliche Regierungspar-
tei, 190. 3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN90
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580