Seite - 11 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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„Dies ist der Sinn von allem, was einst war:
Daß es nicht bleibt mit seiner ganzen Schwere,
Daß es in unserm Herzen wiederkehre,
In uns verwoben, tief und wunderbar.“
R. M. Rilke, Buch der Bilder
VORWORT
Die vorliegende Studie ist nicht das Ergebnis eines institutionell veranker-
ten Forschungsprojekts, sondern entspringt rein persönlichem Interesse,
das – ohne jede Förderung – neben einer vollen Berufstätigkeit befriedigt
wurde. Sie versteht sich als Versuch, am Beispiel Österreichs in den Jah-
ren 1933–1938 bisher nicht beachtete Aspekte des Ständediskurses der
Zwischenkriegszeit freizulegen. Den Anstoß dazu gab das Befremden über
die Diskrepanz zwischen dem großen Aufwand, mit dem die Errichtung der
berufsständischen Ordnung betrieben wurde, und dem bescheidenen Ergeb-
nis, das am Ende aller Bemühungen stand. Was außerdem zu denken gab,
war die Divergenz zwischen der zeitgenössischen Selbstbezeichnung „Stän-
destaat“ und der Nomenklatur der heute geltenden Meistererzählung, für
die die autoritären Züge des Systems alles andere überlagern (häufige Be-
zeichnungen sind „Austrofaschismus“ bzw. „Diktatur“). Dagegen wird die
Rolle der Vertreter des Ständestaats als Widerstandskämpfer gegen den Na-
tionalsozialismus eher unterschätzt, jedenfalls relativiert.
Die Spur, die es zu verfolgen galt, führte rasch von der Zeitgeschichte im
engeren Sinn weg, zurück in ältere Epochen, vor allem aber von den Ereig-
nissen zu den Ideen und Mentalitäten. Während die Ordnung der mittelal-
terlichen Zünfte auch erklärtermaßen ein Vorbild darstellte, wirkten andere
Elemente ständischen Denkens, wie sie in der Frühen Neuzeit zum Tra-
gen kamen, eher unsichtbar, aber nicht minder mächtig. Von hier kamen
Anstöße, die nicht an den Anachronismen einer längst – und irreversibel
– überholten Arbeitsverfassung scheitern mussten, sondern zeigten, dass
etwas am ständischen Denken tatsächlich „bleibend“ ist (W. Höfler). Daher
konnten nicht jene Aspekte desselben in den Mittelpunkt rücken, die in der
berufsständischen Ordnung eine politische Alternative zur parlamentari-
schen Demokratie erkennen ließen, sondern solche, die das Thema „Stand“
im Spannungsfeld zwischen traditionaler und rationaler Herrschaft (M.
Weber) ansiedeln. Daher bleibe ich bei der Bezeichnung „Ständestaat“, und
zwar ohne sie in Anführungszeichen zu setzen.
Als besonders wichtige Zeit erwies sich das 19. Jahrhundert: Durch die
Französische Revolution wurde der sogenannte dritte Stand zum politi-
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580