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„Der Staat ist das Haus, in dem die Staatsbürger leben.
Es muss dauernd instand gehalten,
dauernd ausgebessert werden.“
Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi1
3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE RAHMEN
Einleitend wird, um nicht „in Fallen der Textimmanenz zu tappen“2, der von
der Historischen Diskursanalyse geforderte Kontext umrissen. Berücksich-
tigt werden Aspekte, die zum Verständnis des Begriffs „Stand“ notwendig
erscheinen und die das Wirken der politischen Akteure dokumentieren. Aus
diesem Grund muss es sich um eine Darstellung der Geschichte der Ersten
Republik aus vornehmlich christlichsozialer Perspektive handeln.
3.1 Österreich 1918–1938
Politisch-gesellschaftliche Spannungen in der jungen Republik
Am 12. November 1918 wurde die Republik Deutschösterreich ausgerufen3;
parallel dazu kam es zu Ausschreitungen der äußersten Linken.4 Im Feb-
ruar 1919 fanden Wahlen statt, bei denen erstmals das allgemeine und glei-
che Wahlrecht auch für Frauen zur Anwendung kam. Am 1. Oktober 1920
verabschiedete die konstituierende Nationalversammlung eine auf Entwür-
fen von Hans Kelsen beruhende Verfassung, die einen starken Nationalrat
vorsah5 – eine Erziehung der Österreicher zum Parlamentarismus „von
oben“ 6, wenn man so will.
In der Wahrnehmung konservativer Zeitgenossen befand sich die junge
Republik in einer Art Gegenrevolution7 gegen den Umbruch von 1918.8 Bun-
deskanzler Ignaz Seipel setzte einen starken Akzent auf den Kampf gegen
1 coudenhove-KalerGi, Totaler Mensch, 14.
2 landwehr, Historische Diskursanalyse, 108.
3 ADÖ 1/15 A.
4 Kriechbaumer, Erzählungen, 198–204.
5 GoldinGer/binder, Geschichte, 94–100; tálos, Handbuch, 45–50 (O. lehner); tálos, Herr-
schaftssystem (2013), 10.
6 KluGe, Ständestaat, 19.
7 Zur Kritik dieses Begriffs vgl. fellner, Der Zerfall, 244; zum Begriff „österreichische Revo-
lution“ vgl. botZ, Gewalt, 22 f.
8 mosser, Legitimismus, 106.
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580