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die bis 1874 zurückreichten, als Karl Freiherr von Vogelsang in Basel die
Monatsschrift für christliche Sozialreform ins Leben rief.979
3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934
1933 waren die Vorarbeiten für eine neue Verfassung voll im Gang.980 Im
Juni legte die Zentralkommission der christlichen Gewerkschaften einen
von Karl Lugmayer erstellten Entwurf vor, der Elemente der parlamenta-
rischen Demokratie mit berufsständischen Vorstellungen verband981, aber
vom Regierungslager als zu demokratisch abgelehnt wurde.982 Am 10. Juli
1933 holte Kanzler Dollfuß zur Umsetzung der berufsständischen Ordnung
den Vorarlberger Otto Ender983 in sein Kabinett, einen Vertreter der CSP,
der sich hoher persönlicher Wertschätzung erfreute und dessen juristische
Fachkompetenz unbestritten war.984 Er kannte die einschlägige ständetheo-
retische Literatur und hatte sich schon während der eigenen Kanzlerschaft
(1930–1931) ständischen Ideen geöffnet; gleichwohl hielt er eine rasche Um-
setzung nicht für möglich.985
In seiner neuen Funktion stieß Ender auf vielfache Widerstände: Der am
1. Mai 1934 verabschiedete Text986 war die neunte Redaktion des ursprüng-
lichen Entwurfs.987 Helmut Wohnout glaubt feststellen zu dürfen, Ender sei
nicht der Schöpfer, sondern lediglich der Redakteur der Verfassung gewe-
sen, die in erster Linie die Handschrift des Heimwehrexponenten Odo Neu-
städter-Stürmer und des italienischen Staatssekretärs für Äußeres Fulvio
Suvich trage.988 Der kritische Ansatz, mit dem Ender selbst 1937 sein Werk
979 CS 10. 6. 1934 (J. Piller).
980 tálos, Herrschaftssystem (2013),79–82.
981 schmit, Christliche Arbeiterbewegung, 30 f.; staudinGer, Bemühungen, 225.
982 F. luGmayer, Karl Lugmayer, 16; PelinKa, Stand, 47 f. und 185; wohnout, Regierungsdikta-
tur, 16 f.
983 Biographische Details bei P. melichar, Ein Fall, 185 f.
984 v. hildebrand, Memoiren, 86; wohnout, Verfassungstheorie, 121–125; wohnout, Bürgerli-
che Regierungspartei, 200; wohnout, Die Verfassung, 21.
985 JuffinGer, Politischer Katholizismus, 60; novotny, Der berufsständische Gedanke, 217;
wanner, Otto Ender, 168; wohnout, Verfassungstheorie, 122.
986 Beschreibungen bei falle, Wurzeln, 117–121; huber, Die Verfassung, 52–83; novotny, Der
berufsständische Gedanke, 217 f.; tálos, Herrschaftssystem (2013), 82–93; wiederin, Die
Rechtsstaatskonzeption, 79–85; wohnout, Verfassungstheorie, 215 f.
987 huebmer, Dr. Otto Ender, 176–179; wanner, Otto Ender, 169; wohnout, Verfassungstheo-
rie, 105–109.
988 wohnout, Bürgerliche Regierungspartei, 202; wohnout, Die Verfassung, 17–28.
3.7 DIE VERFASSUNG VOM 1. MAI 1934 163
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580