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3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung
Die Organe der Bundesgesetzgebung, nämlich Staatsrat, Bundeswirt-
schaftsrat, Bundeskulturrat und Länderrat als („vor“)beratende Organe so-
wie der Bundestag als beschließendes Organ, wurden in den Art. 44–54 der
Maiverfassung beschrieben, ihr Wirken in den Art. 61–67.999 Für die Zeit
nach der Konstituierung der Stände war ihre Beschickung durch dieselben
vorgesehen.1000
Da man im Sommer 1934 auf eine möglichst rasche Besetzung bedacht
war, wollte man nicht warten, bis die Bildung der Berufsstände abgeschlos-
sen sein würde; daher wurden – außer im LR – die Mitglieder berufen.1001
Die Berufungen oblagen dem Bundespräsidenten, faktisch wurden sie aber
vom Bundeskanzler vollzogen, dessen Gegenzeichnung erforderlich war. Sie
trugen also die Handschrift Kurt Schuschniggs.1002
Obwohl betont wurde, dass die Nominierung der Mandatare nur nach
Leistungkriterien erfolge, gab es Interventionen von außen.1003 Insbesondere
zwischen Heimwehr und CSP begann ein Feilschen um die Sitze.1004 Was
sich gleichwohl abzeichnet, ist die Berücksichtigung von Vorleistungen und
der bereits erfolgten Bewährung auf niedrigeren Ebenen.1005 Soweit es zu
Neubesetzungen kam, hatten die Neuen stets dasselbe politische Profil wie
die Ausgeschiedenen.1006
Enge personelle Verflechtungen bestanden zwischen den vorberatenden
Organen und wichtigen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Orga-
nisationen.1007 Zahlreiche Mandatare kamen aus CV-Verbindungen. Unter
999 die neue österreichische verfassunG, 53–62; vgl. brauneder, Verfassungsgeschichte, 239
f.; P. huemer, Entstehung, 585–590; Knauer, Das österreichische Parlament, 265; neGer,
Verfassung, 55–57; Kraus, „Volksvertreter“, 89–93 und 104–139; PutscheK, Ständische
Verfassung, 169.
1000 orGler, Ständestaat, 171–173; PutscheK, Ständische Verfassung, 182–184; steiner,
Wahre Demokratie?, 147–151; tálos/manoscheK, Aspekte, 128; wohnout, Regierungsdik-
tatur, 160–172.
1001 neGer, Verfassung, 73 f.
1002 JaGschitZ, Ständestaat, 502; orGler, Ständestaat, 168–171; senft, Im Vorfeld, 139–144;
steiner, Wahre Demokratie?, 198 f.; tálos, Handbuch, 55 (O. lehner); die Berufungen
erfolgten nach dem Tod von Dollfuß; novotny, Der berufsständische Gedanke, 218.
1003 Kraus, „Volksvertreter“, 95 und 141; wohnout, Verfassungstheorie, 271 f.
1004 steiner, Wahre Demokratie?, 186; wohnout, Verfassungstheorie, 258–269; wohnout, Re-
gierungsdiktatur, 193–200; binder/wohnout, Das autoritäre Regierungssystem, 152 f.
1005 Kraus, „Volksvertreter“, 28 f.
1006 wohnout, Verfassungstheorie, 528; wohnout, Regierungsdiktatur, 375.
1007 Kraus, „Volksvertreter“, 231 und 236; wohnout, Regierungsdiktatur, 224; wohnout, Ver-
fassungstheorie, 272–278.
3.8 DIE ORGANE DER BUNDESGESETZGEBUNG UND IHRE BESETZUNG 165
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580