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entgegen, gerade für die unteren Schichten werde dadurch eine gewisse an-
sonsten unerreichbare Geschmacksbildung möglich.271 Er wollte die Menschen
vom Tiefsten ihres Wesens aufbauen und legte Wert auf die Verankerung ak-
tueller gesellschaftlicher und politischer Probleme im Programm.272 Zur Un-
terstützung des Unterrichts der Kinder führte er 1932 den Schulfunk ein, der
außer Schülern und Lehrern auch andere Gruppen, zumal Hausfrauen, er-
reichte.273 Um die Jugendlichen außerhalb der Schule ansprechen zu können,
wurde die Mitgliedschaft in entsprechenden Vereinen gefördert.274 Auch der
Erwachsenenbildung wurde ein hoher Stellenwert eingeräumt.275
Weder der Schulunterricht noch die Volksbildung blieben von autoritären
Zügen frei; Schülern gegenüber wurden mitunter strenge Disziplinierungs-
maßnahmen angewandt.276 Josef Dobretsberger beschwichtigte freilich: Der
Staat sehe sich auch im Bereich der Erziehung in einer dienenden Funktion
und es sei nicht seine Absicht, die Jugend aus den natürlichen Gemeinschaf-
ten der Familie oder der kulturellen Organisationen herauszunehmen. Hef-
tige Kritik übte er an der Hitlerjugend und am Komsomol, den Jugendorga-
nisationen der NSDAP bzw. der KPdSU; die faschistische Balilla verteidigte
er hingegen, weil sie nicht auf einem Totalitätsstreben des Staates beruhe,
sondern sich in den Dienst kultureller und religiöser Bildungsideale stelle.
Das Totalitäre liege nicht in der Form, sondern in den Zielen der Erziehung;
formal seien Parallelen zwischen autoritärem und totalitärem Staat nicht
immer vermeidbar.277 Alles in allem war das autoritäre System in der Ju-
gendarbeit nicht sehr erfolgreich.278
Karl Lugmayer war seit 1935 Herausgeber der Kulturzeitschrift die
pause, die eine Sozialidylle kreierte279 und „positiv gläubiger, konservativer
Geistesart“ dienlich sein sollte.280 1936 äußerte er sich erfreut über wach-
senden Zustrom zu Einrichtungen der Volksbildung; er sprach von „Befrie-
dungsarbeit“ bzw. „politische(r) Arbeit im unpolitischen Raum“.281
271 henZ, Fügung, 336 f.
272 höcK, Medienpolitik, 125–139.
273 erben, Schule, 27 f.; Glaser, Kulturleistung, 36; höcK, Medienpolitik, 126; JarKa, Zur Lite-
ratur- und Theaterpolitik, 526; venus, Rudolf Henz, 20.
274 ebner, Politische Katholizismen, 186; erben, Schule, 88; tálos, Herrschaftssystem (2013),
405–407.
275 erben, Schule, 122 f.
276 erben, Schule, 174.
277 dobretsberGer, Vom Sinn, 47–49; zu möglichen faschistischen Zügen vgl. mittelmeier, Aus-
trofaschismus, 138 f.; Pammer, Austrofaschismus, 402–405.
278 Pammer, Austrofaschismus, 398 f.
279 lasinGer, „die pause“, 27–29; scheichl, Literatur, 184.
280 lasinGer, „die pause“, 46 f.
281 CS 26. 1. 1936 (K. luGmayer). 8. STAAT UND
GESELLSCHAFT514
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580