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aus. Insgesamt wechseln Loyalitätsbekundungen (die ständische Selbst-
verwaltung entspreche dem christlichen Naturrecht356) mit besorgten An-
merkungen. Odo Neustädter-Stürmer, dem seit September 1934 in der
Nachfolge Otto Enders die organisatorische Durchführung des ständischen
Aufbaus oblag (Kap. 7.5), war in Ludwigs Augen für diese Aufgabe wenig
geeignet, weil er, vornehmlich technisch-beamtet denkend, zumal die Arbei-
terschaft „seelisch“ nicht erreicht habe, jene Schicht, deren Integration über-
haupt nicht gelungen sei.357 Auch beim Bericht über die Auflösung der CSP
fallen kritische Töne auf.358
Karl Lugmayer, der auch als Volksbildner einen autoritären Kurs ab-
lehnte359, hob den vorläufigen Charakter der Maiverfassung hervor, be-
zeichnete sie als Fundament, aber „das Haus muss noch gebaut werden“.360
Ähnlich äußerte sich Ludwig Hülgerth, den das in ihr steckende Potential
faszinierte. Mit Goethe beschrieb er sie als die „geprägte Form, die lebend
sich entwickelt“. Aufgabe der Zukunft sei es, den richtigen Einklang zu fin-
den „zwischen der unbedingt nötigen autoritären Führung und dem Mitbe-
stimmungsrecht der ständisch gegliederten Vertretungskörper“.361
Kritische Ansätze lassen Äußerungen Ludwig Adamovichs362 erkennen,
der bereits in seiner Zeit als Mitglied des SR in wenngleich verhaltener
Form Bedenken gegen manche Praktiken der Regierung anklingen ließ.363
In den 1940er-Jahren hielt er fest, die Maiverfassung weiche einer Deklara-
tion über die Staatsform „mit Absicht“ aus; zwar sei Österreich eine Repub-
lik geblieben, aber die Bezeichnung sei zugunsten von „Bundesstaat Öster-
reich“ vermieden worden. Auch erkannte er, dass nicht die Bestellung der
Organe „von unten“ durch Volkswahl, sondern „von oben“ das leitende Orga-
nisationsprinzip bildete.364 Das zentrale Prinzip der Unterordnung der Ver-
waltung unter das Gesetz sei in weitem Umfang verlassen, die Verwaltung
„zur führenden Funktion gestaltet“ worden. Die meisten Gesetze seien nicht
unter Mitwirkung der Organe der Bundesgesetzgebung, sondern aufgrund
besonderer Ermächtigung erlassen worden.365 Nicht von ungefähr legte er
daher noch um 1950 Wert auf die Relativierung seines Beitrags am Zustan-
356 ludwiG, Österreichs Sendung, 135.
357 ludwiG, Österreichs Sendung, 138 f.
358 ludwiG, Österreichs Sendung, 127.
359 schmit, Christliche Arbeiterbewegung, 113 f.
360 CS 3. 6. 1934 (K. luGmayer).
361 CS 16. 12. 1934 (L. hülGerth).
362 Vgl. dagegen olechowsKi/staudiGl-ciechowicZ, Staatsrechtslehre, 227.
363 neGer, Verfassung, 76–78.
364 adamovich, Grundriss, 31.
365 adamovich, Handbuch, 36.
8.7 STÄNDESTAAT UND AUTORITÄRES SySTEM AUF DEM PRÜFSTAND 521
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580