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deskanzler Kurt Schuschnigg ausersehenen Personen – verfolgte das Ziel,
dem Begriff „Stand“ schärfere Konturen zu verleihen. Das so entstandene
Textcorpus, auf dessen Grundlage der einschlägige Diskurs rekonstruiert
wurde, entsprach der 1934 ausgesprochenen Überzeugung des Theologen
Johann Kleinhappl SJ, der ständische Gedanke lasse sich nur zusammen
mit der Wesensart des Menschen richtig erfassen.10 Gemäß diesem hohen
Anspruch konnte das Interesse demnach nicht dem Stichwort „Stand“ allein
gelten, sondern es musste weiter reichen. Herangezogen wurden sämtliche
im Druck erschienenen Äußerungen des genannten Personenkreises und an-
derer Zeitgenossen, auch zu vorderhand nicht einschlägigen Themen. Das,
was die Ständetheoretiker direkt äußerten, stand nämlich in einem komple-
xen gesellschaftlichen und geistigen Kontext (Kap. 2), der sich nicht allein
an den (teilweise repressiven, tatsächlich anfechtbaren) Maßnahmen der Re-
gierung ablesen lässt. Nach der Analyse der Wahrnehmung der politisch-ge-
sellschaftlichen Situation durch die befragten Personen (Kap. 4) konnte in
zwei Hauptteilen dem ideen- und mentalitätsgeschichtlichen Interesse ent-
sprochen werden.
Der Mensch ist Person ist der Titel einer 1994 erschienenen Monographie
von Heinrich Schmidinger über die in den 1920er-Jahren kultivierte Phi-
losophie des Personalismus. Entsprechend dem christlich-naturrechtlichen
Verständnis wurde dadurch der menschlichen Würde wieder eine feste Ver-
ankerung geboten: Der als Person definierte Mensch sollte mehr gelten als
jegliche übergeordnete Struktur positiven Rechts. Damit wurde nicht entfes-
seltem Individualismus das Wort geredet – so wie Freiheit des Eigentums
nicht hemmungslose Konkurrenz im Sinn des Manchester-Liberalismus be-
deutete, denn der Vorrang des Gemeinwohls vor dem Einzelwohl stand nicht
zur Disposition. Die Überzeugung, dass die gerechte Verknüpfung der je-
weils verschiedenen Eignung der Menschen mit ihrer natürlichen Gleichheit
„eine nahezu unerfüllbare Forderung“ (J. Pieper) sei und dass sich manche
Schuldigkeiten ihrer Natur nach nicht völlig ableisten ließen, galt als Prob-
lem, das sich einzig im Vertrauen auf Gottes Hilfe in Ansätzen lösen lasse.11
Daher mussten – bei allem Bemühen, ständische Privilegien zu beseitigen
– ständische Abstufungen und Distanzierungen und vermeintlich natürliche
Hierarchien zentrale Aspekte des Denkens bleiben. Es ließen sich auch viele
Parallelen zum sogenannten Ordoliberalismus finden, für den im gegebenen
Kontext allerdings die Bezeichnung „konservativer Liberalismus“ vorgezo-
gen wurde.
Ungeachtet aller romantischen Neigungen wurde die für den modernen
10 CS 23. 12. 1934 (J. KleinhaPPl SJ).
11 PiePer, Über die Gerechtigkeit, 102 f. 9. RESÜMEE: STATUS IST
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580