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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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über die Berufsstände als Basis einer neuen politischen Ordnung dürfte die geschichtsphilosophischen Reflexionen mitbestimmt haben, die er 1943 seinem Onkel, dem Historiker Hermann Wopfner, mitteilte: Er halte es für ein Gesetz der Geschichte, dass Ideen so lange überspitzt würden, bis sie in ihr Gegenteil umschlügen; später kehrten sie aber in veränderter Form wieder.41 Mit dieser Formulierung sprach Schuschnigg die Dialektik der Geschichte an; zugleich benannte er ein zentrales Merkmal dessen, was eine Utopie aus- macht. Als Entwurf einer solchen verdient der im Österreich der Zwischen- kriegszeit geführte Diskurs über „Stand“ nämlich fraglos auch weiterhin die Aufmerksamkeit der Wissenschaft, größere sogar, als es der Fall wäre, wenn man den Begriff, wie bei Beschränkung auf „Berufsstand“, einfach als Ausdruck von Nostalgie abtun müsste, denn dann käme für das politische System in den Jahren 1933–1938 tatsächlich keine andere Deutung in Frage als „umfassend antimodern“42, und der alles andere überlagernde Aspekt müsste das Bild einer „Diktatur“, eines „repressive(n) System(s)“43 bzw. des Menschenrechte und Menschenwürde missachtenden „Unrechtsstaates“44 sein, das Teile der geltenden Meistererzählung bestimmt. Versteht man eine Utopie indes als Zeitdiagnose mit anschließender Kritik an bestehen- den Verhältnissen, als Reaktion also, verbunden mit dem Versuch auszulo- ten, wie es besser sein könnte45, so ist der analysierte Diskurs ein wichtiger Beitrag zur Schärfung des Blicks der Nachwelt.46 Die darin entworfene an- tiparlamentarisch-ständische Utopie ist ein Beispiel für eine rückwärtsge- wandte Utopie.47 Als solche ist sie mit Ciceros Staatsschrift vergleichbar (auf die Richard Meister auch rekurrierte [Kap. 8.5]), die, über die historische Wirklichkeit hinausgehend, ihren Ort ebenfalls in der Vergangenheit suchte, nicht um diese zu verherrlichen, sondern um in paradigmatischer Weise die ideale Lebensordnung zu beschreiben.48 So gesehen, erweist sich die für Ös- terreich entworfene Utopie als Eu-Topie, nicht als Nicht-Ort, sondern als Ort, wo es besser ist.49 41 binder/H. schuschniGG, „Sofort vernichten“, 296. 42 Konrad, Die Bruchlinie, 52 f. 43 hauch, Vom Androzentrismus, 352. 44 Konrad, Die Bruchlinie, 55; wiederin, Die Rechtsstaatskonzeption, 90. 45 saaGe, Politische Utopien, 46–49; saaGe, Vermessungen, 7 f.; saaGe, Der zerstörte Traum?, 14 f.; schölderle, Geschichte, 12 und 158. 46 schölderle, Geschichte, 14. 47 GoldinGer/binder, Geschichte 143; binder, Der „Christliche Ständestaat“, 211. 48 cyron, Ciceros de republica, 356 –358. 49 KytZler, Utopisches Denken, 45; schölderle, Geschichte, 11. 9. RESÜMEE: STATUS IST ORDO538
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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