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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Dass die Verwirklichung noch fern ist, ist hierbei nicht von Belang.50 Das muss vielmehr so sein angesichts der Komplexität im inneren Bau, die dem nunmehr analysierten System anhaftet51 – und vor allem angesichts des- sen, dass es ohne präzise, gleichsam mathematische Konstruktionen, nur mit einem in der Geschichte befindlichen Ideal auskommt. In diesen Merk- malen erkannte Ernst Bloch Zeichen einer „guten“ Utopie.52 Hinter dem ös- terreichischen Ständestaat verbargen sich ernst zu nehmende, wenn auch schwer vermittelbar gewordene Spielarten von Konservatismus, die zu den totalitären Ideologien der Zeit in diametralem Gegensatz standen.53 Es war der Versuch, ein ganzheitliches Gesellschaftsmodell umzusetzen, in dem der Einzelne in seinem Denken und Handeln ungleich kohärenter war als in der „entzauberten“ modernen Gesellschaft, die die Vielzahl der sie kennzeich- nenden Teileliten begrenzte und somit die Komplexität sozialer Schichtung reduzierte.54 Und es war, noch wichtiger, der Versuch, Elemente personaler, somit auch traditionaler Herrschaft in einem dem Rationalen verpflichteten Zeitalter zur politischen Option zu erklären. In diesem Sinne ständisch denkenden Menschen bedeutet das bewährte zeitlos Gültige mehr als das ungewisse Neue, Reflexion mehr als zweifel- hafte Aktion, ungeschriebene Gesetze sind ihnen wichtiger als positives Recht. Und sie messen das Zeitliche am Ewigen: Schon deshalb wären sie nicht in der Lage, das gesamte Leben einem starren System zu unterwerfen oder sich an lediglich äußerliche Kriterien zu halten. Hier liegt das eigentli- che Wesen ständischen Denkens: Man darf den Akzent nicht, wie man es mit Blick auf frühere Epochen zu tun geneigt ist, auf den mit ständischer Frei- heit verbundenen Faktor soziale Ungleichheit55 setzen oder gar das Bekennt- nis zu einem System von Privilegien vermuten, sondern es ist der Appell an jeden Einzelnen, seinen Beitrag zum Ganzen zu leisten, eigenverantwortlich und im Bewusstsein dieser Verantwortung umso besser, aber jeder auf seine Art – und nicht angewiesen auf die simplen Handlungsanweisungen einer absolut, ja mit totalitärem Anspruch auftretenden Vernunft.56 Absolutheitsansprüche sollte, in Analogie dazu, auch die Wissenschaft nicht erheben – und sich folglich nicht die Freiheit nehmen, in richterlichem Habitus „ein scharf umrissenes Richtigkeitsbild der sozialen und politischen 50 cyron, Ciceros de republica, 351. 51 freyer, Die politische Insel, 28. 52 bloch, Freiheit, 136–140. 53 Diskussion dieser Begriffe bei P. nolte, Ständische Ordnung, 233. 54 Gerstner, Aristokratie, 104. 55 Vgl. hanisch/urbanitsch, Prägung, 63. 56 KosellecK, Kritik und Krise, 127 und 139; vgl. daniel, Reinhart Koselleck, 170 f. 9. RESÜMEE: STATUS IST ORDO 539
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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