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Vorwort
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Fehlern einer bürokratischen Vergangenheit gelernt wird und grobe Auswüchse
eines starren und dummen Bürokratismus vermieden werden.
Es ist mir in diesem Kontext ein Vergnügen, an bürokratische Eliten zu er-
innern, die neben schikanösen Eigenmächtigkeiten gegenüber Staatsbürgerinnen
und Staatsbürgern und neben selbstsüchtigen Aktionen unverzichtbare Leistun-
gen für die Gemeinschaft erbrachten. Sie entwickelten über ihre ureigene Auf-
gabe, die gesellschaftliche Ordnung zu wahren, hinaus kreative Kräfte, die in ei-
nem komplizierten Staat wie der späten österreichischen Monarchie ein hohes
Maß an Rechtssicherheit, ja auch Modernisierung gewährleisteten, und damit die
Zivilgesellschaft ein Stück in der Entwicklung weiterbrachten. Diese kompeten-
ten und ideenreichen Beamten stellten ohne Zweifel eine Kontrolle der Politik
dar, die zur Kultur des abendländischen Staates gehört. Ihr öffentliches Walten
bestimmte ihr privates Leben und ihre Mentalität. Die Facetten wirtschaftlicher,
sozialer, kultureller, mentaler Natur sind unerschöpflich. Mosaikhafte biografi-
sche Bruchstücke (nicht Biografien) sollen letztendlich den Blick auf das Ganzes
geben, auf das Soziogramm, ja Psychogramm eines Berufsstandes, dessen Leben
und Wirken untrennbar zur bürgerlichen Kultur Cisleithaniens gehörten. Mir ist
hinsichtlich meiner vorweggenommenen positiven Beurteilung einer vergangenen
Beamtenschaft voll bewusst, dass neben wissenschaftlichen Recherchen persön-
liche Erfahrungen mit heutigen Beamten und Bürokratien unbewusst-bewusst
mitspielen. Wenn mir auch meine eigenen (positiven) Erlebnisse mit gewissen-
haft-korrekten, kreativen Beamten bei der Erstellung dieser Studie hin und wieder
einen Streich zu spielen drohten, es wurde streng darauf geachtet, Unkorrektheit
zu erkennen, zu verifizieren, Negatives nicht zu verheimlichen, Positives nicht
über Gebühr zu betonen und Sensationen – so verlockend dies schien – nicht
herauszustreichen. Mein Anliegen ist, einer im Volksmund nicht wohl beleumun-
deten und vonseiten der Politik eher unbedankten Institution Gerechtigkeit wi-
derfahren zu lassen. Und dies gerade heute!
Gedächtnis, das nicht abschweift, soll’s erzählen.
O Musen, helft mir! hilf mir, Ideal!
(Dante, Inferno, II. Gesang)
Das Schreiben über Bürokratie musste notgedrungen an diesen Seufzer Dantes
erinnern, denn dem Ideal nahezukommen, konnte sich nur – wie angedeutet – als
Utopie erweisen. Aber immer wieder sprangen mir hilfreiche Musen zur Seite,
wenn das Inferno hereinbrach. Diesen habe ich zu danken:
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277