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3. Definitionen, Details und Daten
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Staatsdienstes arbeiten durften. Und trotzdem waren auch die Staatsdienerinnen
den Normen der Bürokratie unterworfen.
Für einen Beamten war es neben den persönlichen Unterschieden im Rang
und der Besoldung (von denen bald die Rede sein wird) nicht unerheblich, in
welchem Ministerium er arbeitete. Bezüglich seiner öffentlichen Reputation war
eine Stellung im Ministerium des Äußern und des kaiserlichen Hauses am vor-
nehmsten. Hinsichtlich des Rufs innerhalb des bürokratischen Systems galten die
Beamten im Finanzministerium als die am besten qualifizierten Fachleute.
Grosso modo war bereits unter Joseph II. die soziale Stellung eines jeden
Beamten streng hierarchisch durch die Einreihung in den Rang und in ein Ge-
haltsschema festgelegt worden, wobei im Grund diese Einreihung eng an Aus-
bildungsnormen gebunden war.19 Die Regel war im Allgemeinen: Die Beamten
mit geringer Schulbildung (Volksschule) wurden dem „minderen“ Status zuge-
ordnet, im mittleren finden wir jene mit Abschluss eines Gymnasiums oder einer
Mittelschule mit Matura, im höheren, dem sogenannten Konzeptdienst, arbeite-
ten die gut ausgebildeten mit einem akademischen, meist mit einem juristischen
Studium. Im Großen und Ganzen blieb diese Einteilung bis zum Ende der Mo-
narchie (ja, weit darüber hinaus) erhalten, und erst in den letzten Jahren wurden
bedeutende Änderungen eingeführt, die an der strikten Amtshierarchie und am
ausschließlich staatsloyalen Charakter rüttelten.
Ebenso hierarchisch gegliedert war die Besoldung nach „Rang- und Diätenklas-
sen“ nach der eben erwähnten Ausbildung und dem Prinzip der Anciennität oder
Seniorität (Vorrang nach der im Staatsdienst zurückgelegten Zeit). Gehälter im öf-
fentlichen Dienst waren für öffentliche Angestellte prinzipiell nicht verhandelbar.
Sie waren von den niedersten zu den höchsten Rängen (unabhängig von der jewei-
ligen Leistung) streng geregelt. Die Festsetzung der Gehälter und die regelmäßigen
biennalen Vorrückungen bildeten eine Art von Grundsicherung, geregelte Pensi-
onen, auch für Witwen und Waisen, waren, auch wenn sie gering waren, seltene
Sozialleistungen, die der Staat übernahm. Gehälter, Zuwendungen und Pensionen
durften aber nicht zu hoch sein. Die Absicht des aufgeklärten Staates war es, einen
von der staatlichen Besoldung abhängigen Beamtenstand zu schaffen, der mit dem
Kaiser und seinen Ratgebern die Reformen der Aufklärung durchführen musste
und nicht wie der finanziell unabhängige Adel, der lange Zeit hohe Funktionäre
stellte, sich diesen widersetzen konnte.20 Moderner Staat und bürgerliche Entwick-
19 Vgl. HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 108–112.
20 Dazu und zum Folgenden HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 153–229.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277