Seite - 31 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Bild der Seite - 31 -
Text der Seite - 31 -
3. Definitionen, Details und Daten
31
Das Beamtentum stellte als Berufsgruppe eine nicht unbeträchtliche Größe
dar. Die tatsächliche Anzahl der Beamten ist allerdings nicht einfach festzustellen.
Staatsdienst und Regierungen dürften kein größeres Geheimnis kennen als das
Thema Beamtenzahlen. Das hat sich auch heute nur wenig geändert, gewandelt
haben sich allerdings die Zählmethoden der Statistik Österreich, die nach exak-
ten Kriterien vorgeht. Die zeitgenössischen Angaben des 19. und beginnenden
20. Jahrhunderts aber variieren stark. Zwar wurden Name und Position eines je-
den Beamten und Dieners in den Hof- und Staatshandbüchern Jahr für Jahr fein
säuberlich aufgelistet (außer in den Jahren 1849 – inklusive 1855, wo diese nicht
erschienen), exakte statistische Zählungen fehlten jedoch lange Zeit, und wurden
sie durchgeführt, sind bis in die Endzeit der Monarchie die Kriterien, nach de-
nen gezählt wurde, nicht deutlich ersichtlich.24 Die Frage, ob etwa nicht beamtete
Angestellte im Staatsdienst, weiters ob etwa Richter, Lehrer, Militärbeamte oder
Eisenbahnbeamte in manchen Zählungen enthalten sind oder nicht, kann oft-
mals nicht geklärt werden. Fest steht, dass die Zahlen unverlässlich sind – es sei
denn, es wurde die Mühe nicht gescheut, heute selbst Zählungen vorzunehmen
(zum Beispiel Heindl und Urbanitsch) – und erst nach der Jahrhundertwende,
vor allem kurz vor dem Ersten Weltkrieg, änderte sich die damalige zeitgenössi-
sche Praxis. Fest steht ferner, dass in unserem Zeitraum 1848–1914 ein doch recht
gewaltiger Anstieg der Staatsdiener zu verzeichnen ist.
In den 1840er-Jahren waren – folgen wir dem Zeitgenossen Victor von An-
drian-Werburg – ca. 140.000 im Staat Bedienstete zu verzeichnen (an anderer
Stelle werden an eigentlichen Beamten ca. 29.000 genannt).25 Nach den neoab-
solutistischen Verwaltungsreformen wurden im Jahr 1862 52.320, 1874 erstaun-
licherweise nur ca. die Hälfte, nämlich 26.969, angegeben,26 ein schlagendes
Beispiel für unsere erwähnten mangelnden Kenntnisse der Erfassungskriterien.
Für das Jahr 1900 – so scheint es – können wir bereits etwas genauere Aussa-
gen machen: Es werden 65.415 „Beamte der Hof-, Staats-, Landes- und Bezirks-
verwaltung“ angegeben, davon 20 % im Konzeptsdienst, 55 % im Kanzlei- und
Rechnungsdienst, 10 % Lehrer und 15 % Diener. Rechnet man freilich alle öf-
fentlich Angestellten (auch Kanzleihilfskräfte, Eisenbahnbedienstete etc.) dazu,
so kommen wir – im selben Jahr – auf die weitaus höhere Zahl von 336.000.27
24 MEGNER, Beamte, S. 343–347; HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 144f.
25 VICTOR von ANDRIAN-WERBURG, anonym, Österreich und dessen Zukunft 1 (Hamburg
31843), S. 77; siehe auch HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 151.
26 MEGNER, Beamte, Tabelle 41, S. 344.
27 MEGNER, Beamte, S. 344; siehe auch die Zahlen in der zeitgenössischen Studie von JOZEF
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277