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II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie?
deklariert liberaler, für den Staat tätiger Zeitgenossen beweisen, dass Liberalis-
mus in dieser Zeit noch nicht unbedingt mit (deutschem) Nationalismus gepaart
sein musste. In diesem Sinn äußerte sich Joseph Anton Freiherr von Lasser (1814–
1879); er war Beamter in der Allgemeinen Hofkammer, 1848 Abgeordneter im ös-
terreichischen Reichstag und in der Frankfurter Paulskirche, in den 1860er-Jahren
in der Regierung Erzherzog Rainer–Mensdorff-Pouilly Minister ohne Portefeuille,
Statthalter von Tirol und in den 1870er-Jahren liberaler Abgeordneter. Er meint,
er wäre 1848, „wo noch junges Blut in ihm pulsiert habe, mehr Österreicher als
Deutscher gewesen“.51 Auch Leopold Hasner, Ritter von Artha (1818–1891) äußerte
sich zu seiner Gesinnung im Jahr 1848. Hasner hatte seine Karriere als Beamter in
der Finanzlandesdirektion in Prag begonnen und in der Hofkammerprokuratur
in Wien fortgesetzt. Er spielte in den 1860er-Jahren neben seiner gleichzeitigen
Tätigkeit als Professor der politischen Wissenschaften an der Universität Wien im
parlamentarischen Leben eine bedeutende Rolle, wurde im „Bürgerministerium“
des Fürsten Karl Auersperg Leiter des Unterrichtsdepartements (Unterrichtsmi-
nister), der die viel beachteten und sehr umstrittenen liberalen Unterrichtsgesetze
durchführte. Hasner bezeichnete sich als „einen Mann der Staatsidee“, der nie
daran gedacht habe, sich „dem Zug der deutschnationalen Bewegung nach ei-
nem Aufgehen Österreichs in einem geträumten deutschen Einheits- und Bun-
desstaat anzuschließen“.52 Diese späteren Aussagen in einer Zeit, als die Vorherr-
schaft in Deutschland längst (1866) zugunsten eines geeinten Deutschlands unter
der Führung Preußens entschieden worden war, müssen selbstverständlich mit
Vorsicht aufgenommen werden. Ein österreichischer Beamter hatte aus Gründen
des Staatspatriotismus – und der eigenen Karriereinteressen – keine andere Wahl
mehr, als sich zumindest offiziell „immer schon als österreichisch-loyal fühlend“
darzustellen. Wohl nicht zufällig statuierte gerade in diesen Jahren (1867–1869)
der dynastisch, aber vor allem katholisch gesinnte k. k. Ministerialsekretär im
Polizeiministerium, Dr. Johann Baptist Ritter von Hoffinger, ein Exempel seiner
staatspatriotischen Gesinnung und verfasste zum „Lob des gemeinsamen Vater-
landes“ die „Oesterreichische Ehrenhalle“,53 ein Organ für Nachrufe bedeutender
Österreicher.
51 JOSEF REDLICH, Lasser und Schmerling nach ihren Briefen. In: Österreichische Rundschau
19 (1909), S. 91.
52 LEOPOLD von HASNER, Denkwürdigkeiten (Autobiographisches und Aphorismen) (Stutt-
gart 1892), S. 41.
53 JOHANN B. HOFFINGER, Oesterreichische Ehrenhalle (= Oesterreischischer Wirtschaftska-
lender 1865–1869, Wien 1867–69).
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277