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2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder
mit der entsprechenden Modernisierung der Bürokratie zu gehen hatte. Daher
nahmen die Erneuerung des bürokratischen Apparates sowie die Ummodelung
des Beamtentums in den Plänen zu „Österreichs Neugestaltung“, wie die Apolo-
geten ihr neoabsolutistisches Programm enthusiastisch bezeichneten,68 eine zen-
trale Position ein. Um es vorauszuschicken: Neben der Grundentlastung und der
Unterrichts- und Universitätsreform war es die Verwaltungs- und Bürokratiere-
form, die von dauerhaftem Erfolg gekrönt war. Sie überlebte in ihren Grundzü-
gen die Zeit der Monarchie, der Ersten und zum Teil auch der Zweiten Republik
(und erst in jüngster Zeit stellte man die Sinnhaftigkeit des Staatsbeamtentums
infrage).
In erster Linie wurde der Aufbau einer schlagkräftigen Verwaltung, die den
ganzen Staat und alle Institutionen umfassen sollte, in Angriff genommen.69 Zu-
nächst entsprachen die Reformen (1849) noch dem konstitutionellen Programm.
Es wurde das moderne monokratische System (anstatt des schwerfälligen kolle-
gialen) eingeführt, das sogenannte Ministerialsystem, das dem Behördenleiter
die Verantwortung für die Entscheidungen überließ. Die Obersten Hofstellen
wurden als moderne Ministerien organisiert, im Prinzip wurde die Trennung von
Justiz und Verwaltung statuiert und die altertümliche Patrimonialverwaltung der
Grundherrschaften in unterster Instanz mit den grundherrlichen Privatbeamten
als Durchführungsorgane – der Rest einer privaten Verwaltung im österreichi-
schen Kaiserstaat, die bereits im frühen 19. Jahrhundert als unmodern empfunden
worden war – wurde abgeschafft.
Entscheidend war, dass die Struktur des Verwaltungsapparates in den Königrei-
chen und Ländern „von oben nach unten“ weitgehend verbessert wurde, indem
man neben den Kreisen, die ihrer wichtigen Kompetenzen beraubt und bald zur
Gänze eliminiert werden sollten, Bezirkshauptmannschaften und Bezirksgerichte
einführte. Dies bedeutete die Trennung von Justiz und Verwaltung auch in un-
terster Instanz, die zwar bald darauf durch die Einführung eines gemeinsamen
68 CARL FREIHERR von CZOERNIG, Die Neugestaltung Österreichs 1848–1858 (Stuttgart/
Augsburg 1858).
69 Eine präzise Darstellung der Positionen und Leistungen, die die Bürokratie in den Reformen
zwischen 1848 und 1867 einnahm, gibt John Deak in seiner ungedruckten Dissertation, JOHN
DAVID DEAK, The Austrian Civil Service in an Age of Crisis: Power and the Politics of Re-
form 1848–1925 (ungedruckte Diss., Faculty of the Division of Social Sciences, Department of
History, University of Chicago 2009, UMI Number: 3369322), S. 81–166; auch WALTRAUD
HEINDL, Bürokratie und Verwaltung im österreichischen Neoabsolutismus. In: Österreichi-
sche Osthefte 22/3 (1980), S. 232–234.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277