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III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment
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zog ein Statthalter, wie oben beschrieben, ein jährliches Gehalt von mindestens
6.000 Gulden nebst einer Funktionszulage von mindestens 4.000 Gulden und
einer freien Wohnung.129 Wie mussten erst die niederen Beamten ihre Besoldung
und den entsprechenden Lebensstandard empfunden haben? Wie schlecht deren
Lage war, zeigen die Verhandlungen Bachs mit seinen Ministerkollegen über eine
Erhöhung der Beamtengehälter nur drei Jahre später, 1855, aus denen klar ersicht-
lich ist, wie hoch der Anteil der gering Besoldeten eigentlich war. 130 Der Staat
zeigte ein Einsehen: Zumindest die Besoldung der untersten Kategorien (bis zu
400 Gulden) wurden um 15 %, die der Kategorien zwischen 400 und 800 Gul-
den, also der Ränge der bereits mittleren Beamten, um 10 % erhöht. Dass die
Regierung die Gehälter so niedrig hielt, war für die Beamtenschaft zwar katas-
trophal, vom Standpunkt der Minister scheinen die Sparmaßnahmen auf Kosten
der Bürokratie – sowohl was die Gehälter als auch den Personalstand anlangte
– angesichts der explodierenden Verwaltungskosten verständlich. Die Ausgaben
für die Administration, die von 1848 bis 1857 auf das Dreifache stiegen, nämlich
von über 55 Millionen auf über 162 Millionen Gulden,131 kamen durch die enorme
Vermehrung der Verwaltungsagenden zustande: Durch die Übernahme der ehe-
maligen Herrschaftsämter und Patrimonialgerichte, durch die Ausdehnung der
Finanzverwaltung und Sicherheitspflege auf Ungarn und seine Nebenländer, die
Einsetzung der Kommissionen für die Grundentlastung und Bergentschädigung
sowie der Urbarialgerichte etc. Dazu trat die finanzielle Krisensituation des Staates
in diesen Jahren durch Missernten, die Trauben- und Seidenraupenkrankheit in
der Lombardei, durch Krisen der Hausindustrie (Spinnereien, Webereien), der Ei-
senindustrie sowie durch die hohen Investitionen in das Militärbudget.132 Es kam
DERÖSTERREICHISCHES LANDESARCHIV, Regierungsamt, Gemischte Kommission,
Karton 159 a, zit. bei HEINDL, Bürokratie und Verwaltung im Neoabsolutismus, S. 240.
129 Graf Bissingen klagte zumindest teilweise nicht zu Unrecht: Durch die Teuerung stieg beispiels-
weise der Preis für einen niederösterreichischen Metzen Weizen von 3 Gulden 38 Kreuzer auf
4 Gulden 55 Kreuzer im Jahr 1853, Zahlen nach CARL FREIHERR von CZOERNIG, Sta-
tistisches Handbüchlein für die österreichische Monarchie, hg. von der DIRECTION DER
ADMINISTRATIVEN STATISTIK (Wien 1861), S. 66 und 126 f.
130 Ministerkonferenzprotokoll vom 2. Juni 1855/III , 11. Dezember 1855/VI und 22. Dezember 1855
/ I, ÖMR. III: Das Ministerium Buol-Schauenstein, Band 4: 23. Dezember 1854–12. April 1856,
bearbeitet und eingeleitet von Waltraud Heindl (Wien 1987).
131 CZOERNIG, Statistisches Handbüchlein, S. 66 und 126 f.
132 Harm Hinrich Brandt beschäftigt sich mit der in dieser Periode durchgängig prekären finanziel-
len Situation Österreichs, HARM HINRICH BRANDT, Der österreichische Neoabsolutismus.
Staatsfinanzen und Politik 1848–1860, 2 Bände (= Schriftenreihe der Historischen Kommission
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277