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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 105 -
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4. Parteipolitische Konfliktszenen 105 erwähnt.56 Der Statthalter von Tirol und Vorarlberg, Franz Graf Merveldt, der den italienischen Ansprüchen nicht entgegenkommen wollte, entsprach nicht dem po- litischen Konzept des Ministerpräsidenten Ernest von Koerber, der ihn vermutlich (sanft) zum Rücktritt (1901) zwang.57 Die Vorliebe für eine bestimmte Partei, vor allem für die Sozialdemokratie, war in der Gesinnung der österreichischen Beamten nicht zwangsweise mit dem Aus- schluss der Loyalität gegenüber Kaiser und Monarchie verbunden. Das Phänomen, links und kaisertreu zu sein, war in der österreichischen Sozialdemokratie nicht unüblich, wie viele Fälle zeigen. Bekanntlich nannte sich Viktor Adler, Arzt und Führer der österreichischen Sozialdemokratie, bezeichnenderweise – selbstironisch – „Hofrat der Revolution“.58 Der diesbezüglich spektakulärste Fall ist wohl jener des Bibliotheksbeamten des österreichischen Reichsrates Karl Renner (1870–1950), ab 1907 Abgeordneter zum österreichischen Parlament, später erster Staatskanzler der Ersten Republik, der in seinen frühen Schriften zur Lösung des Nationalitäten- problems59 für einen föderalistischen Umbau der Monarchie, aber nicht für deren Abschaffung eintrat. Dass Renner anfangs unter den Pseudonymen „Synopticus“ oder „Rudolf Springer“ publizierte, beleuchtet allerdings die Situation der österrei- chischen Bürokratie: Es war offensichtlich für einen österreichischen Beamten nicht ratsam, sich in aller Öffentlichkeit Gedanken über die Lösung heikler politischer Probleme zu machen. Auch der in Lemberg geborene sozialdemokratische Jurist und Beamte bei der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft Karl Winiewicz äußerte sich beim Zusammenbruch der Monarchie selbstbewusst als kaisertreuer Beamter.60 Die loyalen Gefühle gegenüber Kaiser bzw. Gesamtstaat, Partei und Nationa- lität überschnitten sich vielfach und dürften sich – besonders wenn es um die Zugehörigkeit zur Nation ging – immer komplizierter gestaltet haben. 56 Taaffe an Baron Kraus am 25. August 1889. In: TAAFFE, Nachlass, S. 414 f.; dazu auch PLE- NER, Erinnerungen 2, S. 383 f. 57 Siehe URBANITSCH, Vom „Fürstendiener“ zum „politischen Beamten“, S. 164; siehe auch Kapitel „Traditionelle Karrieremuster“. 58 GOLDINGER, Die Wiener Hochbürokratie, S. 313. 59 S�NOPTICUS (Pseudonym für KARL RENNER), Zur österreichischen Nationalitätenfrage. Staat und Nation. Staatsrechtliche Untersuchung über die möglichen Principien einer Lösung und die juristischen Voraussetzungen eines Nationalitätengesetzes (Wien 1899); RUDOLF SPRINGER (Pseudonym für KARL RENNER), Der Kampf der oesterreichischen Nationen um den Staat (Wien 1902). 60 Ich danke der Schriftstellerin Frau Lida Winiewicz sehr für die Mitteilungen über ihren Vater, die sie seinen Memoiren entnahm; vgl. auch den Roman mit stark familienbiografischen Zügen LIDA WINIEWICZ, Die Kinder gehen in die Oper. Roman (Wien 2007), S. 17 f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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