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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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107 5. Nationale Illustrationen rium beispielsweise galt unter der Leitung des polnischen Adeligen Leon Ritter von Biliński (1895–1897, 1909–1911, 1912–1915 war er gemeinsamer Finanzminis- ter) als polnisch.64 Unter den verschiedenen Landsmannsministern hatte es sich eingebürgert, auf die Vergabe der Beamtenposten an Mitglieder der jeweiligen Nation zu achten.65 Nicht nur die Minister legten auf vertrauenswürdige Lands- leute in ihrem Umkreis wert. Die Abgeordneten aus den nationalen Parteien stellten die größere Gefahr für Besetzungen nach nationalen Gesichtspunkten und nicht nach Eignung, Kenntnissen und Wissen dar. Wollen wir dem Finanz- beamten Friedrich Kleinwaechter (1877–1959) folgen, so scheint sich – aus seiner deutsch-österreichischen, eher noch deutsch-nationalen Sicht – die Praxis ein- gebürgert zu haben, die Ministerien paritätisch mit Beamten nach nationalen Gruppierungen und Kronländern zu besetzen, um den Wünschen der Abgeord- neten Genüge zu tun. Kleinwaechter berichtet über die nationale und territoriale Besetzungspolitik: „Im alten Österreich waren solche Dinge nicht einfach. Wenn auch das deut- sche Element das Übergewicht hatte, so musste doch auf die verschiedenen Na- tionen Rücksicht genommen werden, […] so musste ihnen doch so weit entge- gengekommen werden, dass unter den Beamten der Ministerien alle Nationen vertreten waren. Schon um Interpellationen der Abgeordneten im Reichsrate be- antworten zu können, die immer wieder über die mangelhafte Vertretung ihrer Nationen in den Ministerien Klage führten. Dazu kam, dass auch die Kronländer berücksichtigt werden wollten, denn ein Italiener aus Südtirol war ebenso keine hinreichende Vertretung für die dalmatinischen Italiener wie ein Tscheche aus Mähren für die Tschechen aus Böhmen. Ein Deutscher aus den Sudetenländern war wiederum kein Ersatz für einen Deutschen aus den Alpenländern. Das ergab eine Rechenaufgabe, die nur im Wege höherer präsidieller Mathematik zu lösen war.“66 Die „nationalen“ Beamten hätten sich gegenseitig misstrauisch beobachtet. Friedrich Kleinwaechter stand ihnen bezüglich geringen Vertrauens und „miss- Staates. In: Studia Austro-Polonica, hg. von Józef Buszko und Walter Leitsch 4 (= Universitas Jagellonica Acta Scientiarium Litterarumque 887, Warschau/Krakau 1989), S. 83–92; STANI- SLAW GRODZISKI, Polnische Juristen an den höchsten Gerichten der Habsburgermonar- chie. In: ebd., S. 93–108. 64 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 79. 65 Siehe die Fälle der deutschen und tschechischen „Landsmannminister“ bei URBANITSCH, Vom „Fürstendiener“ zum „politischen Beamten“, S. 157 f.; zu den parteipolitischen Besetzungen auch DEAK, The Austrian Civil Service, S. 252–257. 66 FRIEDRICH F. G. KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist (Wien 1947), S. 21 f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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