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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 126 -
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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 126 Eignung, Kenntnissen und bürokratischen Interessen mitbrachte. Protektion durch eine adelige oder beamtete Familie, Verwandtschaft, Freundschaften oder sonstige Beziehungen begleitet die Entwicklung des Beamtentums. Sie war auch nach wie vor im Verfassungsstaat nach 1867 vorhanden, aber, wie bereits angedeu- tet, nicht mehr modern. Kielmansegg berichtet uns (1871) von einem schlagen- den Beispiel: Der aus einer Kärntner Gutsbesitzerfamilie stammende ehemalige Hofopernsänger eines deutschen Hofes mit dem Namen von Rainer-Harbach war zum Bezirkshauptmann in St. Veit an der Glan in Kärnten berufen worden, obwohl dessen Hauptbeschäftigung – so der empörte Kielmansegg – nur in der Organisation von Dilettantenvorstellungen in Klagenfurt bestand. Der dama- lige Innenminister Giskra, der ihn ernannt hatte, dürfte von seinen mangelnden Kapazitäten wohl unterrichtet gewesen sein.126 Auch der Großgrundbesitzer der Bukowina, Eugen Freiherr von Styrcea, der im Landespräsidium von Czernowitz Dienst tat, wurde zum Bezirkshauptmann von Suczawa (Suceava) ernannt, ob- wohl er laut dem untadeligen Beamten Kielmansegg von einer geordneten Ver- waltung wenig Ahnung hatte. Er nützte angeblich sein Amt, um sich als „Agent“ der rumänischen Partei zu betätigen und jede Entscheidung vom Standpunkt sei- ner Partei abhängig zu machen.127 Ebendieser Faktor der Einflussnahme durch die (nationalen) Parteien im Staatsdienst war neu. Er manifestierte sich massiv gegen die Jahrhundertwende – verstärkt mit dem schon besprochenen Aufkommen der neuen Massenparteien. Offiziell wurde in vielen Fällen der nationalen Vergabe von Beamtenstellen die Sprachenfrage als Alibi benützt. Die möglichst umfassende Kenntnis der landes- üblichen Sprachen war, wie oben erwähnt, eine Forderung, die auch Regierung und Souverän erhoben hatten und die schwerlich zurückgewiesen werden konnte, wie die bereits erwähnten Interventionen des Statthalters Goluchowski von Gali- zien zeigen, der den Umstand, wie erinnerlich, weidlich ausnützte.128 Die Eingriffe der neuen Massenparteien, gekoppelt mit den nationalen Bewegungen, knüpften nahtlos an die ältere Form des Protektionismus durch Familie oder Verwandt- schaft an. Ob nationaler oder parteipolitischer Protektionismus vorherrschte, ist auf- grund der vielfältigen Verquickungen selten zu unterscheiden. Im Allgemeinen 126 KIELMANSEGG, Kaiserhaus, Staatsmänner, S. 201. 127 KIELMANSEGG, Kaiserhaus, Staatsmänner, S. 201 f.; siehe auch URBANISTSCH, Vom „Fürstendiener“ zum „politischen Beamten“, S. 159 f. 128 Siehe Kapitel „Nationale Illustrationen“.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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