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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 152 -
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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 152 „Freie Lehrerstimme“ sowie die „Österreichische Lehrerinnen-Zeitung“ richteten. Klassenkämpferische, ja geradezu feministische Töne schlug die 1909 gegrün- dete Zeitschrift „Die Postanstaltsbeamtin“ an, in der bereits in der ersten Num- mer dezidiert um die Mitbestimmung in der Postorganisation gekämpft wurde. Die Postbeamtinnen machten unverhohlen in erster Linie den Kapitalismus für die Frauenarbeit verantwortlich, den es daher auch von den Beamten, so meinten sie, zu bekämpfen gelte: „Die meisten unserer Beamtenfamilien, sie können, sie wollen es nicht einsehen, dass sie Arbeiter, dass sie Proletarier sind, welche ge- zwungen sind, ihre Arbeitskraft dem Moloch um einen schnöden, kargen Lohn zu verkaufen, oft um einen bedeutend geringeren Lohn als der bereits modern gewerkschaftlich organisierte manuelle Arbeiter. Ein Eigendünkel, der in diesen Beamtenseelen lebt […].“212 Die Zeiten zwischen 1870 und der Jahrhundertwende hatten sich geändert. Seit 1907 waren die Sozialdemokraten im Reichsrat vertre- ten, die auch Frauen im Staatsdienst in den Bann zogen. Der erwähnten Studie von Hans Nawiasky verdanken wir auch die gängigen Ansichten der männlichen Staatsbediensteten über ihre ungewohnten, meist nicht sehr willkommenen Kolleginnen: Entweder galten sie als „verklemmt“ oder sie wurden als „Lustobjekt“ gesehen, das heißt, dass eine allgemeine Ablehnung die- ser Frauen durch ihre männlichen Kollegen üblich war, 213 vor allem vonseiten der ohnehin schlecht bezahlten Diurnisten, die gegen die noch schlechter bezahl- ten Konkurrentinnen in klischeehafter Weise polemisierten und sie als „höhere“ (Beamten-)Töchter bezeichneten, die ihre wahre Bestimmung, nämlich Ehe und Kinder, verkannten, die guten Beziehungen des „Herrn Beamtenpapa“ ausnütz- ten, um in die Berufe der Diurnisten einzudringen.214 Nawiasky fällte freilich auch kein allzu schmeichelhaftes Urteil,215 wenn er meint, Kraft und Ausdauer der Frauen seien gering, bei Anstrengungen versagten sie, die Alterungsperiode träte früher ein als bei Männern, sie wären oft krank (fehlten allerdings nicht häufiger als Männer). Positiv vermerkt er ,,große Pflichttreue, Geschicklichkeit, Fingerfer- tigkeit und Leistungsfähigkeit“. Es mangle ihnen aber an Ruhe und Entschieden- heit bei der Arbeit, an einer schleunigen Erledigung sowie an scharfer Aufmerk- samkeit und rascher Auffassung, was Nawiasky gerechterweise auf ihre mangelnde 212 DIE POSTANSTALTSBEAMTIN. Unabhängiges Organ der zentralorganisiserten Postmeister- innen, Expedientinnen, Offiziantinnen und Aspiratinnen Oesterreichs, Jg. 1/Nr. 1, S. 1. 213 NAWIASK�, Frauen im Staatsdienst, S. 225. 214 G. KLEMENS, Ein Wort zur Hilfsbeamtenfrage (Wien 1901) , S. 10, bei MEGNER, Beamte, S. 312. 215 NAWIASK�, Frauen im Staatsdienst, S. 225 ff.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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