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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 181 zwar auch örtliche Würdenträger, wie der Bürgermeister der Stadt oder Geistliche der örtlichen Konfessionen, aber das waren gerade nur Ausnahmen. Vorsitzender war immer der Bezirkshauptmann, stellvertretender Vorsitzender war der Bezirks- richter, die übrigen Mitglieder des Vorstands wurden nach den Wünschen des Be- zirkshauptmanns ‚gewählt‘. Die Räumlichkeiten des Kasinos bestanden gewöhn- lich aus einem großen Saal – mit Billard – zum gemeinsamen Beisammensitzen mit den Damen oder für große Versammlungen, und aus einem kleineren Raum, dem Herrenzimmer. Entlang der Wände waren Sessel, und die Gäste bezogen ihre Plätze nach dem Dienstrang. Auch die Damen saßen nach dem Dienstrang ihrer Männer und waren bei der Einhaltung dieser Ordnung bei weitem pedantischer als die Männer selbst. Die Gespräche drehten sich um die lokalen Ereignisse oder um den Inhalt der Beamtennachrichten.“297 Würdevolle Distanz zu wahren war erstes Gebot und galt besonders für den idealen Amtschef.298 Dementsprechend entwickelte sich in der Praxis ein spezieller Umgangston, der in den österreichi- schen Ämtern gepflogen wurde, zu dem Höflichkeitsriten wie Anrede und Grußze- remonien gehörten. Selbstredend hatten diese die hierarchischen Unterschiede im bürokratischen Apparat deutlich zu machen. Ja, sie zielten darauf ab, Unterschiede elegant unauffällig zu unterstreichen. War es Usus im Amt, dass die Chefs und Herren Amtsvorsteher ihre akademisch gebildeten Untergebenen des sogenannten Konzepts freundlich herablassend mit „Sie“ und „Herr Kollega“ ansprachen,299 so musste die letzte Kategorie im Staatsdienst, die Diener, jahrelang und zäh um die Anrede „Sie“ und „Herr“ ringen. Ihre Anrede lautete „Er“, verbunden mit der blo- ßen Namensnennung des untergebenen Beamten („Huber, bring er mir …“!). Erst im August 1918, also kurz vor der Auflösung der Monarchie, wurde ihnen – aller- dings nur im Verordnungsweg – die gewünschte Anrede in der dritten Person Plu- ral „Sie“ und „Herr“ offiziell zugestanden. Üblicherweise antworteten Diener und Portiere auf Befehle mit „jawohl“, „sehr wohl“ oder „zu Befehl“. Es wird auch von Dienern berichtet, denen diese Floskel noch zu salopp erschien und ein „ich küsse die Hände“ beifügten.300 Der Umgangston den Dienern gegenüber erscheint we- niger asozial, wenn wir in Betracht ziehen, dass die niedrigeren, selbst akademisch vorgebildeten Ränge gegenüber den höhergestellten (selbstverständlich immer stehend) auch nicht die im gesellschaftlichen Leben übliche Höflichkeitsanrede, 297 BAŠE über die bosnischen Kasinos. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 231. 298 Siehe z. B. FASSE. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 250. 299 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 55, 62 f. und 66 f. 300 EHRHART, Im Dienste, S. 257 f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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