Seite - 203 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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4. Der private Alltag – das symbolische Kapital
bereits erwähnt) die Ausgaben für die Lebenshaltungskosten einer Staatsbeamten-
familie mit drei Kindern und einem Dienstmädchen auf 2.133, 07 Gulden im Jahr
berechnet.359 Inkludiert waren in dieser Summe das Frühstück mit Semmeln und
Milch für die drei Kinder bzw. Milchkaffee, von dem den Eltern je zwei Schalen,
dem Dienstmädchen eine Schale zustand, das Mittagessen, bestehend aus Suppe,
Rindfleisch, Gemüse und Brot, und das kalte Abendessen mit einem Glas Bier;
unter Einbeziehung von Zusatzausgaben für Sonn- und Feiertage kam man auf
die Summe von 1.026,70 Gulden, für das Wohnen in einem Vorort wurden 400
Gulden berechnet, für Bekleidung, Geschirr und dergleichen 349 Gulden, Rei-
nigung der Wäsche, Licht und Heizung etc. 114 Gulden, „Diverses“ (z. B. Zei-
tungsabonnement) 45 Gulden. Im Vergleich mit diesen Summen nehmen sich
die Steuern inklusive des jährlichen Pensionsbeitrags mit 102,37 Gulden beschei-
den aus, ein Betrag, der nur noch vom niedrigen Jahreslohn des Dienstmädchens
von 98 Gulden unterboten wurde.360 Aber wer von den Beamten verdiente schon
mehr als 2.000 Gulden jährlich? Nach dem Gehaltsgesetz von 1873 musste der Be-
amte schon eine mittlere Position mindestens in der VIII. Rangklasse mit einem
Verdienst von 1.800 Gulden (ohne Zulage) geschafft haben. Im Jahr 1900 waren
– laut einer zeitgenössischen Quelle – die Lebenshaltungskosten für einen Sekti-
onsrat in der VI. Rangklasse, einen akademisch vorgebildeten Beamten, auf 3.463
Gulden (in der damaligen Währung waren es 6.926 Kronen, der Vergleichbarkeit
halber gebe ich die Summe in der älteren Währung, in Gulden, an) gestiegen.
Die Ausgaben für die Nahrung waren auf 1.460 Gulden (= 2.920 Kronen), der
Mietzins für eine Wohnung im 7. Wiener Gemeindebezirk mit 106 m2 mit drei
Zimmern und zwei Kabinetten auf 810 Gulden (= 1.620 Kronen) angewachsen,
für Wäsche, Licht, Heizung wurden 179 Gulden (= 358 Kronen) und für Bediente
immerhin 270 Gulden (= 540 Kronen) berechnet, für Kleidung waren die Ausga-
ben auf 270 Gulden (= 540 Kronen) gesunken. Dafür musste man für das Schul-
geld eines Sohnes 180 Gulden (= 360 Kronen) berappen, die Steuern und Abgaben
waren auf 144 Gulden (= 288 Kronen) angestiegen. Die Jahresausgaben beliefen
sich somit im Ganzen auf 3.463 Gulden (= 6.926 Kronen), das jährliche Gehalt ei-
nes Sektionsrates betrug 3.600 Gulden (= 7.200 Kronen).361 Unserem Sektionsrat
359 Siehe Kapitel „Ökonomische und soziale Verhältnisse“; zu den Gehältern Anhang II.
360 MEGNER, Beamte, S. 95; MEGNER, Beamtenmetropole Wien, S. 272.
361 Die zeitgenössische Quelle: MAXIMILIAN STEINER, Beamtenwohnungen (Wien 1901), S.
6–8, bei MEGNER, Beamtenmetropole Wien, S. 494 f.; auch VERA MÜHLPECK, RO-
MAN SANDGRUBER, KARL WOITEK, Index der Verbraucherpreise 1800 bis 1914. In: Ge-
schichte und Ergebnisse der zentralen amtlichen Statistik in Österreich 1829–1979 (= Beiträge
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277