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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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V. Das soziale Umfeld 212 des Staatsdienstes wurden angeblich in ihrer Berufswahl auch von ihren Vätern beeinflusst und lanciert.388 Viele Beamtensöhne wurden wieder Beamte. Aber es musste nicht sein. František Vaniš (geboren 1861), dessen Vater Greißler und Bä- cker in Nordböhmen war, wünschte, dass sein Sohn ein Handwerk erlernen sollte. Als er ihm aber doch nach längerem Zögern das Studium der Rechtswissenschaf- ten an der Universität Prag erlaubte, das František ebenfalls als Werkstudent ab- solvierte, wünschte der Vater, dass er einmal Bezirkshauptmann werden solle. Der Wunsch des Vaters war dem Sohn diesmal Befehl: Vaters Vorstellungen entspre- chend, bewarb er sich als Konzeptsbeamter in der Statthalterei, denn der Eintritt in die Statthalterei versprach zugleich die Aussicht auf die höhere Position des Bezirkshauptmanns. Im Falle des František Vaniš entfiel die Besoldung zur Gänze, da es noch in den 1880er-Jahren üblich war, jungen Konzeptsbeamten unter Um- ständen bis zu vier Jahren überhaupt kein Gehalt zu zahlen, da man sie im eigent- lichen als Praktikanten ansah.389 Vaniš erhielt sein erstes Gehalt von 500 Gulden nach zwei Jahren Konzeptdienst (1889). Das Geld für seinen Lebensunterhalt in diesen zwei gehaltlosen Jahren lieh er von seinen Eltern, denen er die Schuld bald nach seinem ersten Verdienst zurückzahlte.390 Peter von Salzgebers Sohn Albano (später Statthaltereirat in Österreich ob der Enns) war in den ersten Jahren seiner Beamtenlaufbahn in starkem Maß auf die finanzielle Unterstützung seiner Familie angewiesen, obwohl er immerhin einen in der hohen Bürokratie sehr erfolgrei- chen Vater hatte. Er dürfte das Sorgenkind der Familie gewesen sein. Vater Peter Salzgeber musste die Schulden des Sohnes übernehmen, damit dieser in einem Alter zwischen ca. 26 und 30 Jahren überhaupt als Konzipist angestellt wurde.391 Ein verschuldeter junger Beamter entsprach dem Beamtenethos in keiner Weise. Abgesehen von der allgemeinen Schädigung der Reputation des Beamtenstandes traten noch Befürchtungen vor Korruption, Bestechlichkeit und Diebstahl hinzu, denen ein verschuldeter Beamter ausgesetzt war. Die Familie Salzgeber freute sich jedenfalls drei Jahre nach der Anstellung (1859) über ein lobendes Dekret des Statthalters und eine Zulage von 150 Gulden, eine Aussage, die uns reichlich Auf- schluss über die Lage eines jungen Beamten gibt.392 388 Siehe das Kapitel „Die ungewohnte Neue. Frauen im Staatsdienst“. 389 Siehe HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 181. 390 VANIŠ. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 43 und 45 f. 391 Wilhelmina Salzgeber an ihre Tochter Minna Russegger, 29. Mai 1856, PA BLECHNER, Ge- schichte der Familie Blühdorn, Briefe, Manus, S. 84. 392 Wilhelmina Salzgeber an ihre Tochter Minna Russegger, 11. Dezember 1859, PA BLECHNER, Geschichte der Familie Blühdorn, Briefe, Manus, S. 94 f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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